Licht und Glaube

Geringes Licht - großer Glaube

Die Weisen aus dem Morgenland (Matthäus 2)

Es war wohl wenig, was die Weisen aus dem Morgenland von Gott wussten, jedenfalls, wenn man es mit dem vergleicht, was den Juden von Gott offenbart war. Sie hatten den außergewöhnlichen Stern gesehen und waren zu der Schlußfolgerung gekommen, daß der König der Juden geboren sein mußte. Vielleicht kannten sie die Prophezeiung Bileams: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich schaue ihn, aber nicht nahe; es tritt hervor ein Stern aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels" (4. Mo 24,17). Vielleicht bestand das Licht, das sie besaßen, lediglich aus diesem Stern. Doch es war für sie Grund genug, alle Strapazen eines langen Weges auf sich zu nehmen. Es war eine Reise von möglicherweise 1000 km. Ein langer Weg mit all seinen Beschwerden. Sie scheuten keine Mühe. Nun sind sie endlich in Jerusalem. Doch Jerusalem mit seinem König, seinen Bewohnern, Hohenpriestern und Schriftgelehrten weiß nichts von diesem neugeborenen König.

Die Weisen kommen endlich zu dem Kind mit Maria. Bewegt es nicht unsere Herzen, zu sehen, wie dieser Funke des Lichts einen solch großen Glauben bewirkte? Sie fallen in Ehrfurcht vor dem Herrn nieder, huldigen Ihm1 und bringen ihre Gaben (eig. Schätze) dar: Gold und Weihrauch und Myrrhe. Die Darbringung von Gold für einen König erscheint durchaus passend. Doch wie kommen sie dazu, auch Weihrauch und Myrrhe darzubringen? Beides fand im Gottesdienst Verwendung und ist Ausdruck der Wertschätzung für Gott. Bedeutet das nicht, daß die Weisen in dem Kind mehr sahen als nur den König der Juden? Daran besteht wohl kaum ein Zweifel. Es ist gewaltig, was wirklicher Glaube im Herzen von Menschen bewirken kann.

Der Hauptmann in Kapernaum (Matthäus 8)

Der Herr Jesus kommt nach Kapernaum, in eine Stadt, wo Er sich oft aufhielt. Als Er die Stadt betritt, begegnet Ihm ein römischer Hauptmann. Sein Knecht wird von einer Krankheit schrecklich gequält. Der Hauptmann wendet sich mit seinem Anliegen an Jesus. Er hat von Ihm gehört. Was weiß er von dem Gott Israels? Er wird wohl kaum das Alte Testament gekannt haben. Doch das Wenige, was er über Jesus wußte, ließ ihn keinen Augenblick zweifeln, daß der Herr seinen Knecht heilen könnte. Und der Herr gibt ihm unmittelbar die Zusicherung, daß Er in sein Haus kommen und den Knecht heilen würde. Großartige Zusage! Doch der Hauptmann macht Einwendungen. Warum denn das? Was will er denn noch mehr? Er fühlt sich nicht würdig, daß Jesus in sein Haus kommt. Welch eine Demut und Bescheidenheit. Er bittet den Herrn, ihn durch ein Wort zu heilen. Der Hauptmann weiß, dals Jesus alle Macht zur Verfügung steht. Er spricht davon, daß er selbst höhergestellten Autoritäten unterworfen ist, und illustriert an einigen Beispielen, wie er selbst Macht über seine Untergebenen ausübt und sie gehorchen.

Bei diesem Hauptmann findet sich ein unerschütterliches Vertrauen in die Macht Jesu, gepaart mit einer großen Bescheidenheit. Das löst bei dem Herrn Verwunderung aus. Solch großen Glauben hat Er in Israel nicht gefunden. Erahnen wir, was es für den Herrn bedeutet, wenn Er sieht, wie Menschen Ihm glauben? Und je größer der Glaube ist, um so mehr kann Er dem Glauben entsprechen. Das veranlaßt Ihn zu der Erklärung, daß viele von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Reich der Himmel zu Tische liegen würden. Die Weisen waren von Osten gekommen. Der Hauptmann war von Rom, also aus dem Westen. Viele würden einmal wie sie kommen und glauben.

Die Königin von Scheba (Matthäus 12)

Der Herr greift in diesem Kapitel auf ein Ereignis aus dem Alten lestament zurück, das sich zur Zeit Salomos ereignet hat. Es geht um die Königin von Scheba. Sie war eine Königin des Südens, wie es hier heißt. Sie hatte in fernem Land (Arabien oder einem Land in Nord-Afrika?) von der Weisheit Salomos gehört und darin die Weisheit Gottes erkannt. Das veranlaßte sie dazu, eine lange Reise nach Jerusalem zu unternehmen, um Salomo kennenzulernen und mit ihm über alles zu sprechen, was in ihrem Herzen war. Später sagte sie dann: „Und siehe, nicht die Hälfte ist mir berichtet worden" (1. Kön 10,7). Aber das, was sie gehört hatte, hatte den Wunsch in ihr geweckt, nach Jerusalem zu ziehen. Der Herr stellt diese Frau, die von weither („von den Enden der Erde") gekommen war, den Juden als ein Beispiel des Glaubens vor und sagt ihnen, daß diese Königin im Gericht gegen das ungläubige Israel aufstehen würde, um das Volk zu verdammen. Sie wulste wohl mehr als die Weisen aus dem Morgenland, doch war es nicht immer noch wenig im Vergleich zu dem, was Gott dem Volk Israel offenbart hatte?

Die kananaische Frau (Matthäus 15)

Nun ein weiteres Beispiel einer Frau, die nicht zum Volk Israel gehörte und zu der der Herr schließlich sagte: „O Frau, dein Glaube ist groß." Der Herr befand sich bei dieser Gelegenheit im Norden des Landes Palästina. Eine kananäische Frau kommt zu Ihm und schreit zu Ihm, dals Er sich ihrer Tochter erbarmen möge, die schlimm besessen war. Auch nennt sie Ihn Sohn Davids. Sie weiß, daß Er der rechtmäßige Erbe des Thrones ist. Für sie ist klar, daß es für ihre Tochter nur beim Herrn Hilfe gibt. So wendet sie sich an Ihn. Doch Er weist sie ab. Mit keinem Wort wendet Er sich ihr zu. Den Jüngern wird es zuviel. Sie wollen, daß der Herr sie wegschickt. Jetzt erst spricht Er sie an und sagt ihr, daß Er nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt sei. Daraufhin tritt sie auf den Herrn zu und wirft sich vor Ihm nieder2. Sie bittet Ihn: „Herr, hilf mir."

Nun gebraucht der Herr ein zweites Bild und sagt, daß es nicht schön sei, das Brot der Kinder wegzunehmen und den Hündlein hinzuwerfen. Sie versteht sofort, daß sie ein „Hündlein" ist, da sie eine heidnische Frau ist. Was jetzt? Sie antwortet, indem sie das Wort des Herrn akzeptiert. Damit stellt sie sich demütig unter dieses Wort. Sie greift das Bild auf und führt es fort: Es essen ja auch die Hündlein von den Brosamen (eig. Krümelchen), die vom Tisch der Reichen fallen. Bleibt denn nichts für sie übrig? Allerkleinste Brotteilchen, die versehentlich hinunterfallen? Welch eine Beharrlichkeit! Welch ein Glaube! Welch eine Erquickung für den Herrn, solch großen Glauben anzutreffen. In demselben Augenblick ist die Tochter geheilt. Die Macht Gottes überspringt erneut die engen Grenzen des Judentums.

Aus allen Himmelsrichtungen kamen Menschen und bewiesen einen großen Glauben, obwohl sie nur wenig Licht hatten. Und sie alle gehörten nicht zu dem auserwählten Volk Gottes.

Großes Licht - geringer Glaube

Nun wenden wir uns vier Gelegenheiten zu, wo Menschen in der unmittelbaren Gegenwart des Herrn verkehrten und somit das große Licht kannten, das in Galiläa aufgegangen war (Mt 4,16). Sie hatten eine große Kenntnis der Gedanken Gottes und waren bevorrechtigt, die Macht und Herrlichkeit des Herrn Jesus mit offenen Augen zu betrachten, und dennoch war nur ein geringer Glaube die Antwort ihrer Herzen. Und diese Menschen waren ausnahmslos Juden, ja, Jünger des Herrn Jesus.

Sorge um die tagtäglichen Dinge (Matthäus 6)

Der Her spricht Seine Jünger in diesem Abschnitt (V. 24-34) direkt an und nennt sie „Kleingläubige". Wie bevorrechtigt waren die Jünger in der Gegenwart des Herrn Jesus. Erkannten sie in Ihm bereits den Schöpfer und Erhalter des Universums und somit aller Menschen und besonders der Gläubigen? Der Herr unterweist die Jünger, wie Sein Vater die Vögel ernährt und die Blumen mit Herrlichkeit ausstattet, die sogar die Pracht Salomos weit übertrifft. So sorgt Gott in jedem Augenblick für alle Dinge. An anderer Stelle sagt der Herr sogar, daß kein Sperling vom Dach fällt ohne den Willen Seines Vaters.3 Sollte Gott dann nicht für die Seinen sorgen? Wie oft mögen die Jünger und wir mit ihnen im Unglauben gefragt haben: „Was sollen wir essen? oder: Was sollen wir trinken? oder: Was sollen wir anziehen?" Nach alledem würden die Menschen fragen, die Gott nicht kennen.

Vertrauen wir Gott, daß er uns mit allem versorgen wird, was wir in Zukunft brauchen?

Der Herr mit den Jüngern auf dem See (Matthäus 8)

Beieineranderen eleg enhes befindet sich Schiff, mitten auf dem See. Plötzlich erhebt sich dort ein gewaltiger Sturm. Die Wellen gehen über das Schiff. Der Herr schläft. Sie wecken Ihn auf mit den Worten: „Herr, rette uns, wir kommen um!" Hatten sie nicht miterlebt, wie viele Wunder der Herr getan hatte?

Lies noch einmal einige Kapitel zuvor: „Und Jesus zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volke. Und sein Ruf ging aus in das ganze Syrien; und sie brachten zu ihm alle Leidenden, die mit mancherlei Krankheiten und Qualen behaftet waren, und Besessene und Mondsüchtige und Gelähmte; und er heilte sie" (4,23.24). War es vielleicht erst einige Stunden her, daß sich das ereignete, wovon wir in Kapitel 8 lesen: „Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus mit einem Worte, und er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesajas geredet ist, welcher spricht: Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten" (V. 16.17)?

Die Jünger fürchten sich sehr davor, umzukommen. Sie haben Angst vor dem Tode. Wieder hören sie aus dem Munde ihres Meisters: „Was seid ihr furchtsam, Kleingläubige?" Vertrauen wir dem Herrn in allen Umständen, die die Gegenwart betreffen?

Petrus wandelt auf dem Wasser (Matthäus 14)

Wieder sind die finger auf dem See. Doch diesmal ist der Herr nicht bei ihnen. Das Schiff leidet Not von den Wellen. Die Jünger rudern hart. Einige sind erfahrene Fischer. Werden sie es schaffen? Die ganze Nacht geht darüber hin. Inzwischen ist die vierte Nachtwache angebrochen (3.00 - 6.00 Uhr). Viele Stunden geht das nun schon so. Doch plötzlich kommt der Herr. Damit haben sie überhaupt nicht gerechnet. Sie erkennen Ihn nicht. Sie meinen ein Gespenst zu sehen. Sie schreien vor Furcht. Jesus spricht ihnen Mut zu: „Seid gutes Mutes, ich bin's; fürchtet euch nicht." Welch ein Aufatmen. Petrus verläßt das Boot. Er kann es nicht abwarten, bis der Herr im Schiff ist. Oder fürchtet er, daß der Herr vorbeigehen würde? Ist es besonderer Glaube bei Petrus, das Schiff zu verlassen?

Doch auf einmal wird er sich des starken Windes bewußt. Das ist zuviel. Furcht überfällt ihn. Und schon beginnt er zu sinken. Ein Aufschrei: „Herr, rette mich!" Der Herr streckt ihm die Hand entgegen und ergreift ihn. Und dann die Worte des Herrn: „Kleingläubiger, warum zweifeltest du?" Diese Worte des Herrn wird Petrus nie wieder vergessen haben. Hier sehen wir, welchen Schwankungen Gläubige im Glaubensleben unterworfen sein können. Das kann sich manchmal von einem auf den anderen Augenblick ändern.

Mit welch herzlicher Liebe schreibt er später an die Gläubigen und versucht, sie durch seine beiden Briefe im Glauben zu stärken.

 

Die Jünger und die vergessenen Brote (Matthäus 16)

Ein weiteres Mal tadelt der Herr die Jünger wegen ihres mangelnden Glaubens. Nun befinden sie sich nicht auf dem See, sondern am Ufer. Niemand hat für Brote gesorgt. Der Herr hat eine ernste Warnung für die Jünger bezüglich der Bosheit der Pharisäer und Sadduzäer. Sie verstehen die Bildsprache des Herrn nicht. Sie meinen, er würde sie wegen der vergessenen Brote rügen. Ihre Gedanken sind mit dem leiblichen Wohl beschäftigt, und zwar mehr als nötig. Sie sind in ihren Gedanken so gefangen, daß ihre Ohren taub sind für die Belehrungen des Herrn.

Mangelnde Bereitschaft, das Wort des Herrn zu hören, ist Kleinglaube. Der Herr erinnert sie an die beiden Speisungen vieler Tausender Menschen. Nun wiederholt Er Seine Warnung vor dem Sauerteig der Pharisäer und Saddu-zäer. Und jetzt verstehen die Jünger, daß der Herr von der zersetzenden Lehre dieser beiden religiösen Gruppen spricht.

Wie groß ist doch der Gegensatz zwischen den heidnischen Menschen in den ersten vier Beispielen und den Jüngern in den letzten Beispielen. Erkennen wir in dem Bild der Jünger uns selbst? Solch helles Licht fiel in ihre Herzen, und doch antworteten sie nur mit einem kleinen Glauben. Bei anderer Gelegenheit fragt der Herr Seine Jünger, ob sie keinen Glauben hätten (Mk 4,40). Doch nun ein letztes Beispiel.

Großes Licht - großer Glaube

AIs Saulus auf dem Weg nach Damaskus war, umstrahlte ihn am Mittag plötzlich ein großes Licht. Er fiel zu Boden und hörte eine Stimme. Das war der Augenblick, der eine großartige Änderung in seinem Leben zur Folge hatte. Er lernte den Herrn kennen, den er bis dahin verfolgt hatte. Drei Tage war er blind. In diesen Tagen erkannte er seine ungeheure Sünde. Und in diesen Tagen wurde es auch hell in seinem Herzen. Es gefiel Gott wohl, Seinen Sohn in ihm zu offenbaren (Gal 1,15.16). Dieses große Licht bewirkte einen großen Glauben in dem Herzen dieses Mannes. Lies noch einmal nach, was die Gnade in diesem Mann bewirkt hat. Wie viele herrliche Dinge hat er über den Glauben geschrieben. Und wie wirkte der Glaube in seinem Leben. Es war sein einziger Wunsch, daß Christus hoch erhoben würde an seinem Leibe, sei es durch Leben oder durch Tod (Phil 1,20). Er war ein wirklicher Führer, auf den sicher zutrifft, daß wir seinen Glauben nachahmen sollen (Heb 13,7). Er konnte schreiben: „Was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat" (Gal 2,20). In seinem letzten Brief schreibt er: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt" (2. Tim 4,7).

Wir schließen mit der Aufforderung im Hebräerbrief:

„HINSCHAUEND AUF JESUM, DEN ANFÄNGER UND VOLLENDER DES GLAUBENS."

 

1 Gr. proskyneo: sich niederwerfen, kniend huldigen, anbeten, verehren, (ehrfurchtsvoll) begrüßen. Dieses Wort kommt allein in Johannes 4,20-23 neunmal vor.

2 Gr. proskyneo; siehe Fußnote 1.

3 Staunen wir eigentlich noch so recht über Gottes Wunderwerke in der Schöpfung? Solch ein Kunstwerk ist z.B. der in unseren Augen manchmal unbedeutende Sperling. Siehe dazu Werner Gitt, K.H. Vanheiden in Wenn Tiere reden könnten (Bielefeld, 1990), S. 10-18.