Ein Erfahrungsbericht aus Indien
„Gehet nun hin und machet alle Nationen zu Jüngern" Matthäus 28,19
Dieser Auftrag unseres Herrn aus Matthäus 28,19 ist eine Verpflichtung für jeden Seiner Jünger und einer der wesentlichen Gründe, warum Christen noch auf der Erde sind. Es sind die letzten Worte Jesu, die der Evangelist Matthäus von Ihm berichtet, bevor der Herr wieder zurückkehrte in den Himmel, und dadurch haben sie auch ein besonderes Gewicht. Es gibt sicher zahlreiche Möglichkeiten, diesem Auftrag nachzukommen, aber wenn wir diese Stelle lesen, denken wir meist doch zuerst an die Verbreitung des Evangeliums in fremden Ländern und in nicht vom Christentum bereits geprägten Kulturen.
Es ist nun nicht unsere Absicht, uns darüber Gedanken zu machen, wann jemand „in die Mission" gehen sollte. Den oben genannten, zunächst ganz allgemein gehaltenen Auftrag des Herrn in dieser besonderen Weise zu erfüllen, ist sicher zuallererst eine Frage des persönlichen Rufes des Herrn an Seinen Diener. Wenn man Lebensberichte von Missionaren liest, so findet man die unterschiedlichsten Anlässe, die Gläubige bewogen haben, in ein fernes Land zu gehen. Vielmehr wollen wir einen Situationsbericht speziell über Indien und dort insbesondere über die Arbeit der Geschwister in Tenali geben.
Wir waren zusammen mit unseren beiden Kindern Richard (5) und Gloria (3) bereits dreimal dort: Von März bis April 1994, im Frühjahr 1995 und zuletzt von Mitte Dezember 1995 bis Mitte Januar 1996. Neben der Weitergabe sachlicher Informationen liegt es uns am Herzen, auch persönliche Eindrücke und Erlebnisse mit den Geschwistern mitzuteilen.
Die christliche Botschaft selbst ist unabhängig von der Kultur des Landes, wo sie verkündigt wird, aber dennoch sind dadurch gewisse Randbedingungen vorgegeben, die zu beachten sind. Generell gesprochen sind in der Vergangenheit manche Fehler dadurch entstanden, dals man neben dem Predigen des Evangeliums versucht hat, den Menschen auch die europäische Lebensweise aufzuzwingen. Auch der Apostel Paulus hat ja z.B. in seiner Ansprache an die Athener in Apostelgeschichte 17 deren kulturellen Hintergrund berücksichtigt.
Ausgangssituation
Indien ist ein Vielvölkerstaat, der 1947 nach der Abspaltung von Pakistan und Bangladesch in dieser Form aus der englischen Kolonialherrschaft in die staatliche Unabhängigkeit entlassen wurde. Es gibt etwa 100 verschiedene Sprachen, einige davon sind Hindi (zugleich auch Staatssprache), Bengali und Marathi (im nördlichen und zentralen Teil) sowie Tamil und Telugu im Süden. Im offiziellen Bereich wird jedoch nach wie vor meist Englisch verwendet, was auch die Sprache ist, mit der wir uns dort verständigt haben.
Die Einwohnerzahl liegt z.Zt. bei etwa 850 Millionen mit steigender Tendenz. Etwa 85% der Menschen sind bezüglich ihrer Religion Hindus. Das gesellschaftliche Leben wird daher weitgehend durch den Hinduismus und nach wie vor durch das dort vorherrschende Kastenwesen geprägt. 10% der Bevölkerung sind Moslems, und nur etwa 3% bekennen sich zum Christentum, wovon die meisten zur römisch-katholischen Kirche oder zu Zweigen der anglikanischen Kirche gehören. Traditionell haben die meisten Missionare mehr im Süden Indiens gearbeitet. Wenn auch offiziell Religionsfreiheit herrscht, so stehen staatliche Behörden in südlichen Landesteilen der Genehmigung von christlicher Arbeit und Missionswerken aufgeschlossener gegenüber als im Norden.
Möglichkeiten christlicher Arbeit
Wie kann man nun in einem solchen Land effektiv die Botschaft des Evangeliums verkündigen und viele Menschen erreichen? Antworten auf diese Frage, die wir uns ja auch in unserem Land immer wieder stellen müssen, fallen in Indien teilweise durchaus anders aus als hier. Wir möchten am Beispiel der Arbeit, die in Tenali wesentlich von dem einheimischen Bruder K. Yohan geleitet wird und bei der ihn und seine Familie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlicher Weise unterstützen, exemplarisch einige dieser Antworten darstellen. Eine wesentliche Voraussetzung, die ein Evangelist haben sollte, ist dabei die Fähigkeit, in mehreren Landessprachen predigen zu können. Auch in Indien können viele Menschen durch das gedruckte Wort erreicht werden.
Zu diesem Zweck gibt es in Tenali eine kleine Druckerei, wo Traktate und Bücher in Englisch und der dortigen lokalen Sprache (Telugu) im Buchdruckverfahren hergestellt werden. Es wäre zwar durch den Kauf neuer Maschinen ein rationelleres Drucken möglich, aber damit würden auch die jetzigen Arbeitsplätze größtenteils wegfallen. In der Druckerei finden Gläubige und Nichtchristen Arbeit. Jeden Morgen wird eine Andacht gehalten, wodurch schon manche zum Nachdenken kamen und sich bekehrt haben.
Bücher und Traktate werden in einem Buchladen in Tenali verkauft und darüber hinaus in die Umgegend verschickt. Anfragen aufgrund der angegebenen Adresse kommen aber auch aus ganz Indien. Pro Tag fallen inzwischen etwa 200 Rupien Postgebühren an. Dies bedeutet, daß täglich 200 Briefe versandt werden! Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß 200 Rupien ungefähr DM 9,-sind und etwa dem Tagelohnverdienst von zehn ungelernten Arbeitern entsprechen. Darüber hinaus werden auch Bibelkurse mit der Post verschickt und korrigiert. Nach Abschluß eines Kurses erhält jeder Teilnehmer ein Zertifikat und kostenlos ein christliches Buch.
Wir haben erlebt, wie Traktate und christliche Literatur in Indien gern entgegengenommen und nach dem Lesen sogar noch weitergegeben werden. Den Anfragen nach Literatur kann aus finanziellen Gründen bei weitem nicht entsprochen werden. Ein Satz mit fünfzig verschiedenen Traktaten wird kostenlos abgegeben, größere Mengen werden zum Selbstkostenpreis verkauft. Verschickte Literatur wird genau registriert, wodurch in vielen Fällen auch ein persönlicher Kontakt mit den Bestellern zustande kommen konnte.
Wegen der guten Akzeptanz von gedrucktem christlichem Schriftgut wird auch in Bombay von Bruder Ronny Fernandez und seiner Frau Gloria, die wir bei unserem kurzen Aufenthalt dort ebenfalls kennenlernen konnten, christliche Literaturarbeit betrieben.
Eine weitere Möglichkeit, Menschen mit dem Evangelium bekannt zu machen, besteht in der Schularbeit, die nicht nur in Indien, sondern auch in anderen Missionsgebieten (z.B. in Ländern Afrikas oder Lateinamerikas) mit großem Engagement durchgeführt wird. Gerade Kinder sind die besonderen Gegenstände der Liebe unseres Herrn (vgl. Mt 18,10.11; 19,13-15); sie nehmen die Botschaft vom Herrn Jesus ohne Vorbehalte auf. Auf dem Land sind in Indien etwa 50 - 60% der Menschen Analphabeten, und deshalb ermöglicht eine fundierte, den Bedürfnissen angepaßte Schulbildung den jungen Menschen eine gute Ausgangsposition für ihr weiteres Leben. Die christlichen Schulen werden deshalb auch gut angenommen.
Hauptsächlich durch eine private Spende von Geschwistern aus Kanada konnte 1993 in Pallekona, einem ca. 30 km von Tenali entfernten Dorf, das aber mit dem Zug in einer Stunde erreicht werden kann, die „Christian Residential Highschool" mit angeschlossenem Waisenhaus fertiggestellt werden. Dort werden insgesamt etwa 200 Schüler (Stand 1995: 214) im Alter von 5 bis 14 Jahren in zehn Klassen von sechzehn Lehrern unterrichtet. Etwa 110 von diesen Kindern sind Waisen, Halbwaisen oder kommen aus sehr armen Familien und bleiben Tag und Nacht dort, während die anderen Schüler aus der Umgebung stammen und nur vormittags die Schule besuchen. Die Schule hat einen guten Ruf, und die Eltern schicken ihre Kinder gern. Im allgemeinen sind die öffentlichen staatlichen Schulen nicht besonders gut, und Privatschulen sind auf dem Land nicht erreichbar und darüber hinaus nur für wohlhabende Familien bezahlbar.
Unterrichtet werden nicht nur die üblichen Schulfächer, sondern auch praktische Dinge. Inzwischen konnten z.B. zwei Webstühle sowie Zusatzgeräte angeschafft werden, an denen ein Bruder aus einem nahegelegenen Dorf, der selbst Weber ist, ältere Kindern das Weben lehrt. Demnächst soll auch eine Schreinerwerkstatt eingerichtet werden.
Ein ähnlicher Ansatzpunkt ist auch durch medizinische Arbeit gegeben. In Pallekona ist eine Fahrradrikscha stationiert. Mit Hilfe dieser „Fahrbereitschaft" werden regelmäßig die Dörfer in der näheren Umgebung besucht und Patienten ambulant versorgt. Wir haben persönlich erlebt, wie in solchen „betreuten" Dörfern auch die Botschaft von JESUS CHRISTUS mit Freude und Dankbarkeit aufgenommen wurde (vgl. Lk 10,30-37).
Daneben wird das Evangelium aber auch auf „herkömmliche" Weise vor allem in den Dörfern verkündigt. Für das Evangelium sind die Türen in Indien weit geöffnet. Dabei ist natürlich eine gute Kenntnis der örtlichen Sprachen und auch der indischen Kultur sehr wichtig, da es nur dann möglich ist, die Menschen so anzusprechen, daß sie sich dem Evangelium öffnen. In den vergangenen Jahren haben sich gerade unter der Landbevölkerung viele Menschen bekehrt, und zahlreiche Gemeinden sind entstanden.
Es hat uns sehr beeindruckt, wie diese umfangreiche Arbeit, die wir kurz skizziert haben, von nur wenigen Geschwistern aus Liebe zu unserem HERRN JESUS CHRISTUS unter Zurückstellung persönlicher Belange mit großer Opferbereitschaft getan wird. Es war uns daher eine besondere Freude, daß wit als Uberbringer von Gaben einiger örtlicher Versammlungen diese Dienste für den Herrn unterstützen konnten (s. Apg 11,27-30). Diese finanzielle Unterstützung, u.a. Medikamente und verschiedene Spielsachen für die Kinder, haben den Geschwistern auf praktische Weise die Lehre von 1. Korinther 12,26 deutlich gemacht: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit." In Vorbereitung unserer Reise wurden speziell die Kinder in zwei örtlichen Versammlungen aufgefordert, von ihren Plüschtieren und ihrem Kleinspielzeug etwas für die Kinder im Kinderheim bzw. der Schule zu „opfern". Schließlich hatten wir mehr als 100 Plüschtiere und anderes Spielzeug in unserem Reisegepäck und machten uns große Sorge, wie wir dem indischen Zoll verständlich machen sollten, daß unsere zwei Kinder soviel Spielzeug benötigen!!! Dazu muß man wissen, daß der indische Zoll die Einfuhr von Hilfsgütern und Geschenkartikeln, wenn sie in größerer Zahl auftreten, sehr restriktiv handhabt. Unser GOTT und Vater hat die vielen Gebete erhört, und unser atypisches „Reisegepäck" wurde nicht beanstandet, diesmal sogar überhaupt nicht kontrolliert.
Uns fehlen die Worte, um die Freude und Dankbarkeit der Geschwister und Kinder wiederzugeben. Viele können gar nicht begreifen, daß es in dem „unendlich weit entfernten Deutschland" Gläubige gibt, die sich in Gedanken mit ihnen beschäftigen.
Natürlich kann es nicht nur darum gehen, zu evangelisieren und dann die neubekehrten Christen sich selbst zu überlassen. Ein wichtiger Teil christlicher Arbeit, den wir auch bei Paulus und seinen Mitarbeitern finden, ist die Betreuung der Christen an den einzelnen Orten, um ihr persönliches und gemeinsames Wachstum in der christlichen Wahrheit zu fördern (s. Apg 15,36). Diese Aufgabe hat daher in der christlichen Arbeit in Indien wie anderswo einen festen Platz. Dabei muß man berücksichtigen, daß durch das gerade auf dem Land immer noch sehr verbreitete Analphabetentum das gesprochene Wort dort einen viel größeren Raum einnimmt. Gläubige, die nicht lesen können, sind auf diese Form der Belehrung angewiesen, und deshalb ist ein regelmäßiger Besuch der Orte, wo bereits Christen leben, besonders wichtig.
Mit Bruder Yohan haben wir während unseres Aufenthaltes etwa 15 derartige Dörfer mit gläubigen Christen besucht. Überall gab es angeregte Gespräche über biblische Themen oder auch Gelegenheiten zur Wortverkündigung. Die Zusammenkünfte fanden oft im Freien oder in einer strohgedeckten Hütte statt. Ein akutes Problem für die Geschwister dort ist die Frage nach einem geeigneten Raum, da sie selbst nicht in der Lage sind, die Kosten dafür aufzubringen. Am Anfang können Zusammenkünfte zwar auch in privaten Hütten stattfinden - auf einer Fläche von ca. 16 - 20m? lebt eine ganze Familie, manchmal bis zu zehn Personen -, aber da viele Menschen zum Glauben kommen, ist dies oft schon nach kurzer Zeit nicht mehr möglich.
Der größte Teil der Dorfbewohner arbeitet als Tagelöhner auf den Zuckerrohr- oder Reisfeldern, die Großgrundbesitzern gehö-ren. Sie sind daher im allgemeinen sehr arm, da nur etwa acht Monate lang durch Saat bzw. Ernte Arbeit vorhanden ist. Die restliche Zeit müssen sie von dem Ersparten leben, oder die Männer müssen teilweise große Entfernungen zurücklegen, um in dieser Zeit irgendwo anders Arbeit zu finden. Um so mehr ist man erstaunt über die Gastfreundschaft, die wir gerade in den armen Dörfern erfahren haben. Einmal erhielt sogar unser Richard ein lebendes Huhn geschenkt, das eigentlich zum Verzehr gedacht war, aber zumindest bis zu unserer Abreise doch am Leben geblieben ist.
Man muß sich immer im klaren darüber sein, daß sich durch das Christentum die sozialen Umstände nicht unbedingt ändern und auch die landesüblichen Gewohnheiten nicht umgekrempelt werden. Natürlich beeinflußt meine Beziehung zu Christus, dem ich nachfolgen will, mein ganzes Leben - aber es gibt viele Dinge, die hier so und die in anderen Kulturen eben anders gehandhabt werden und wo das eine nicht „biblischer" ist als das andere. Als Beispiel hierzu soll kurz die Art und Weise der Eheschließung geschildert werden, die in Indien ganz anders praktiziert wird und für die wir auch kaum Verständnis aufbringen können.
In Indien ist die Heirat zuerst nicht eine Sache zwischen den künftigen Eheleuten, sondern zwischen den Eltern, die sich den Ehepartner für ihr Kind aussuchen. Christliche Eltern werden dies unter Gebet tun und für ihr gläubiges Kind auch einen gläubigen Ehepartner wählen. Die Kinder werden zwar manchmal auch gefragt, aber die eigentliche Wahl treffen die Eltern. Die Eltern der Braut müssen einen der sozialen Stellung angemessenen Preis an die Eltern des Bräutigams zahlen, der immer sehr hoch ist und mindestens dem eines zweifachen Jahresgehaltes des Familienvaters entspricht. Bedenkt man außerdem, daß Hindus eigentlich nur innerhalb der Kasten heiraten, so versteht man, warum sich die sozialen Schichten in Indien kaum mischen.
Während unserer drei Reisen wurden wir öfter von Gläubigen gefragt, wie in Deutschland dieses oder jenes gehandhabt wird. Es ist uns nicht immer leicht gefallen, so zu antworten, daß europäische Lebensweisen nicht gleichgesetzt werden mit göttlichen Grundsätzen.
Vieles wäre noch zu berichten. Wir haben versucht, einen Einblick in das Leben unserer indischen Geschwister zu geben. Trotz aller Anstrengungen, die eine solche Reise mit sich bringt, fühlen wir uns durch die große Liebe der indischen Geschwister beschenkt und ermuntert. Wenn der HERR JESUS die Wege ebnet, möchten wir unsere Geschwister in Indien im nächsten Jahr gern erneut besuchen.
Rainer und Ingrid Pickhardt
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