Post von Euch

Liebes „Folge mir nach"-Team! Ich möchte Euch Reute eine Frage stellen, die mich schon länger beschäftigt: Bezieht sich das Gleichnis in Matthäus 25.1-13 auf Israel, die Gemeinde oder auf beide? Ich würde mich freuen, wenn ich sobald wie möglich von Euch kören würde!

Viele Grüße

Eure Zippora

Liebe Zippora,

habe herzlichen Dank für Deine Zuschrift vom 21. 01.96. Ich will gern versuchen, Deine Frage zu dem Gleichnis in Matthäus 25 zu beantworten.

Du möchtest wissen, ob sich Matthäus 25,1-13 (sog. Gleichnis von den 10 Jungfrauen) auf Israel oder die Gemeinde be-zieht. - Genaugenommen auf keines von beiden, sondern, wie Vers 1 sagt, auf das Reich der Himmel, das sich in unseren Tagen etwa mit dem Begriff „Christenheit" deckt. Die Christenheit umfaßt sowohl wahre Gläubige als auch Lippenbekenner, die Gemeinde besteht aus allen wahren (von neuem geborenen) Gläubigen. Das Bild der 10 Jungfrauen schließt also die Gemeinde mit ein und umfaßt somit einen größeren Kreis. Wollte man nur die Gemeinde darin sehen, hieße das ja zwangsläufig auch, daß einige ihrer Glieder verlorengingen. Es hängt also einiges davon ab, wie man Deine Frage beantwortet. Laß mich daher noch einige Erklärungen hinzufügen.

Zuerst einige Worte zum „Reich der Him-mel" (in Markus und Lukas heißt es oft „Reich Gottes"), auf das wir hier leider nur kurz eingehen können. Es bedeutet nicht „Himmelreich", also den Himmel. Es ist vielmehr ein Reich auf der Erde damit ge-meint, das vom Himmel her errichtet und nach himmlischen Grundsätzen regiert wird. Dieser Begriff war den Zeitgenossen des Herrn Jesus geläufig, er geht unter anderem auf Daniel 2,44 zurück. Die Herrlichkeit dieses Reiches ist an sehr vielen Stellen des Alten Testaments ausführlich beschrie-ben. Dort ist ebenso die Verwerfung seines Königs, des Messias (Christus), durch Sein Volk vorhergesagt (Dan 9,26; Lk 24,25-27; 1. Pet 1,10.11). Was das Alte Testament aber noch nicht enthält, sind Hinweise für die Zeit zwischen der Himmelfahrt des gekreuzigten und auferstandenen Christus und Seiner Wiederkehr zur schließlichen Errichtung Seines Reiches in Macht und Herr-lichkeit. Über den Charakter und Verlauf dieser Zwischenzeit, in der wir leben, spricht der Herr in den Gleichnissen vom Reich der Himmel; auch unser Gleichnis gehört dazu. Der für lange Zeit (Mt 25,19) abwesende König vertraut Sein Reich Seinen Knechten an. Der gute Same des Wortes Gottes wird in der ganzen Welt ausgestreut und bringt gute Frucht. Aber auch der Feind ist tätig und sät Unkraut (Mt 13,24- 30). Praktisch seit Beginn des Christentums werden auch Irrlehren und so manches falsche Evangelium verkündigt (vgl. Gal 1,8.9). Besonders als das Christentum unter Kaiser Konstantin römische Staatsreligion wurde, nahm die Zahl derer, die nur dem Namen nach Christen wurden, sprunghaft zu. So wird das Reich der Himmel bis zur Wiederkunft des Herrn ein gemischtes System sein, in dem es gute und böse Knechte gibt, kluge und törichte Jungfrauen, Wiedergeborene und bloße Bekenner - eben das, was wir Christenheit nennen.

In Matthäus 25 finden wir in dem Gleichnis von den Jungfrauen (Verse 1-13) die persönliche Verantwortung im Blick auf die Echtheit unseres Bekenntnisses, in dem Gleichnis von den Pfunden (Talenten) die persönliche Verantwortung im Blick auf den Dienst (Verse 14-30); beides wird der Herr bei Seinem Kommen prüfen.

Die klugen und die törichten Jungfrauen unterschieden sich in dem Besitz bzw. Nicht-besitzen von Ol. Wer das Wort hört und glaubt, empfängt ewiges Leben und den Heiligen Geist (Joh 3,16; Eph 1,13). Der Heilige Geist ist die Kraft jedes echten Bekenntnisses und Zeugnisses (Apg 1,8). Wer Christi Geist nicht hat, ist gar nicht Sein Eigentum (vgl. Röm 8,9), er / sie muß einst hören: ich kenne euch nicht. So denke ich, daß man in dem Öl vielleicht ein Bild des Heiligen Geistes sehen kann, den jeder wahre Gläubige besitzt und der ihn zum Zeugnis befä-higt. Wie dem auch sei - auf jeden Fall müssen wir in den 5 törichten Jungfrauen tote Bekenner, Namenschristen sehen. Das könnten z.B. Leute sein, die als Kind getauft wurden, Kirchensteuer zahlen usw. - kurz, die nach außen als Christen gelten (gewisser-maßen eine geschmückte Lampe tragen) und sich sogar selbst dafür halten. Dennoch fehlt ihnen das Wesentliche, eine wirkliche Umkehr. Sie haben sich niemals als schuldige Sünder gesehen, haben niemals zu Gott um Vergebung gerufen und niemals im Glauben das Werk von Golgatha als für sich geschehen angenommen. Die Stunde der Wahrheit kommt beim Kommen des Herrn - sie bleiben draußen; eine äußerliche christliche Form (vgl. 2. Tim 3,5) rettet niemand. Auf sie trifft auch das Urteil des Herrn über Sardes zu: „Ich kenne deine Werke, daß du den Namen hast, daß du lebst, und bist tot" (Offb 3,1).

Hoffentlich ist ein wenig deutlich geworden, weshalb ich denke, daß wir in den 10 Jungfrauen insgesamt kein Bild der Gemeinde haben, sondern der Christenheit, bestehend aus echten und unechten Bekennern. - Die Bibel ist schon ein wunderbares Buch, wenn auch oft sehr ernst, denn Gott will ja nicht, daß irgend jemand verlorengeht.

Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude beim Bibelstudium und in der Nachfolge unseres Herrn.

In Ihm verbunden grüßt Dich Dein

Hans-Joachim Kuhley