Lebensbeschreibung

Lebensbilder

In diesem letzten Beitrag über den Reformator Martin Luther sollen noch einige Ereignisse erwähnt werden, die für die Beurteilung der letzten zwei Lebensjahrzehnte Luthers nicht unbedeutend sind.

Im wesentlichen bestand Luthers Arbeit in der Zeit nach seiner ersten öffentlichen Verantwortung in Worms in

  • der Fortführung der Bibelübersetzung,
  • dem Widerstand gegen die „päpstlichen" Gegner und
  • der Beschäftigung mit verschiedenen Lehrauffassungen innerhalb des aufkommenden „Protestantismus"

 

Die Bibelübersetzung

Die Arbeit an der Übersetzung der Bibel beschäftigte Luther bis zu seinem Tod im Jahre 1546. Nachdem 1523 die Übersetzung der fünf Bücher Mose erschienen war, kam es 1534 erstmals zur Herausgabe einer vollständigen deutschen Bibel: „Biblia, das ist die gantze heilige Schrift. Deudsch. Martin Luther, Wittenberg - 1534". Neben Melanchthon waren Aurogallus, der Wittenberger Professor der hebräischen Sprache, sowie die Hebraisten Bernhard Ziegler und Johann Forster weitere Helfer bei dieser Arbeit.

Bereits 1539 begann Luther dann mit einer Gesamtrevision seiner Ubertragung, die bis 1545 andauerte.

Über seine Vertrautheit mit der Schrift äu-Berte er sich einmal folgendermaßen: „Die Schrift ist ein unermeßlich großer Wald (von fruchttragenden Obstbäumen); aber es ist kein Baum darin, den ich nicht mit der Hand geschüttelt hätte."

Immer wieder kommt Luthers tiefe Ehrfurcht vor der Bibel zum Ausdruck. Als man zu seinen Lebzeiten begann, seine Werke zu veröffentlichen, wehrte er sich mehrfach dagegen und sah in dem fortwährenden „Bü-hermachen" eine große Gefahr. In seiner typisch erfrischenden Art schreibt er einmal: „Und obwohl es nützlich und nötig ist, daß einige Väter- und Konzilschriften als Zeugen und Geschichtsbücher erhalten geblieben sind, so denke ich doch: Est modus in rebus alles mit Maß!] und es sei nicht schade, daß vieler Väter und Konzilien Bücher durch Gottes Gnade untergegangen sind. Denn wären sie alle erhalten geblie-ben, so könnte wohl niemand weder ein - noch ausgehen vor lauter Büchern, und sie würden's doch nicht besser gemacht haben, als man es in der Heiligen Schrift findet."

Und an anderer Stelle: „Denn so gut werden es weder die Konzilien und Väter noch wir machen, auch wenn es auf's höchste und beste gerät, wie es die Heilige Schrift, das ist Gott selbst, gemacht hat. Obwohl auch wir den Heiligen Geist, Glauben, göttliche Rede und Werke haben müssen, wenn wir selig werden sollen, so müssen wir doch die Propheten und Apostel auf dem Pult sitzen lassen und hienieden zu ihren Füßen auf das hören, was sie sagen, und nicht sagen, was sie hören müssen."

 

Luthers Heirat

Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle Luthers Hochzeit mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora am 27. Juni 1525. Auf dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse war sie fast ein Skandal: Ein ehemaliger Mönch heiratet eine ehemalige Nonne! Obwohl die äußeren Umstände durch Kriegsunruhen sehr ungünstig zu sein schienen und selbst seine Freunde (ein-schließlich Melanchthon) über seine Absicht entsetzt waren, wollte er doch damit den Willen Gottes, wie er ihn erkannt hatte, tun. Für ihn war die Ehe ein öffentliches Zeugnis von der Ehre Gottes. Die zahlreich erhalten gebliebenen Briefe, die er an seine Käte geschrieben hat, zeugen von einer glücklichen Ehe. Gott schenkte ihnen fünf Kinder, Johan-nes, Elisabeth, Magdalena, Martin und Paul.

Von Luthers derbem Humor zeugt ein Brief, den er eine Woche vor seinem Tod seiner Käte aus Eisleben schrieb: „Gnade und Friede in Christus! Allerheiligste Frau Doktorin, wir danken Euch ganz freundlich für Eure Sorge, vor der Ihr nicht schlafen könnt. Denn seitdem Ihr für uns gesorgt habt, hätte uns das Feuer gerne verzehrt in unserer Herberge, hart vor meiner Stubentüre, und gestern wäre uns, ohne Zweifel kraft Eurer Sorge, schier ein Stein auf den Kopf gefallen und hätte uns zerquetscht wie in einer Mausefalle. In unserem heimlichen Gemache nämlich rieselt wohl zwei Tage lang über unserem Kopf Kalk und Lehm herab, bis wir Leute dazu nahmen. Die rührten den Stein an mit zwei Fingern, da fiel er herab, so groß wie ein langes Kissen und eine große Handbreit. Der hatte im Sinne, Eurer heiligen Sorge zu danken, wenn die lieben Engel nicht gewacht hätten. Ich sorge, wo Du nicht aufhörst zu sorgen, es könnte uns zuletzt die Erde verschlingen und alle Elemente uns verfolgen. Lernst Du so den Katechismus und den Glauben? Bete Du und lasse Gott sorgen; Dir ist nichts davon befohlen, für mich oder Dich zu sorgen. Es heißt: 'Wirf Dein Anliegen auf den Herrn, er sorget für Dich' (Ps 45,23 und an vielen weiteren Stellen). Wir sind, Gott Lob, frisch und gesund."


Das Marburger Gespräch

Neben der Auseinandersetzung mit der schwärmerischen Gruppe der „Wieder-täufer" und dem Gelehrten Erasmus von Rotterdam über den Willen des Menschen (Luther hat im Dezember 1525 mit seiner Schrift „Vom gebundenen Willen" auf die Veröffentlichung „Vom freien Willen" von Erasmus von Rotterdam reagiert), soll an dieser Stelle noch kurz auf den sogenannten „Abendmahlsstreit" eingegangen werden. Worum ging es dabei?

Parallel zu den Entwicklungen in Deutschland war die Reformation auch in der Schweiz fortgeschritten - vor allem durch die unermüdliche Arbeit des Reformators Ulrich Zwingli. Wie sich bald herausstellte, hatten Luther und Zwingli konträre Auffassungen von der Gegenwart Christi in dem Brot und Wein des Abendmahls. Luther glaubte, „daß Brot und Wein genau dasselbe blieben, was sie waren, wirkliches Brot und wirklicher Wein, daß aber zugleich mit denselben der wesentliche Stoff des menschlichen Leibes Christi genommmen werde" Zwingli dagegen verstand Brot und Wein lediglich in einem sinnbildlichen Charakter. Für ihn waren sie Zeichen von dem Leib Christi und dem Blut Christi.

Die schriftliche Auseinandersetzung dauerte bereits über vier Jahre an, als Philipp, Landgraf von Hessen, auf ein persönliches Gespräch drängte. Luther folgte dieser Einladung nur sehr zögernd und unsicher. Vorab schrieb er an Philipp: „Und wenn sie uns nicht nachgeben wollen, so wird alle Eure Mühe vergeblich sein." Vom 1. bis 3. Oktober 1529 trafen sich dann die beiden Parteien in dem Marburger Schloß. Bestimmt wurde das Gespräch auf der einen Seite im wesentlichen durch Luther und Melanchthon, auf der anderen Seite durch Zwingli und Ökolampadius. Luther blieb in diesen Unterredungen sehr hart. Diese Härte seines Charakters, die ihm zuvor in manchen Situationen gewiß zum Nutzen war, sollte sich hier sehr nachteilig auswirken. Ja, als Zwingli ihn unter Tränen bat, ihm doch die Hand als Bruder zu reichen, wies er diese Hand zurück mit den Worten: „Ihr habt einen anderen Geist als wir". Durch ein nochmaliges Drängen des Landgrafen ließ Luther sich dann noch zu folgendem Bekenntnis, das eigentlich eine Beleidigung war, bewegen: ,Wir erkennen Euch an als Freunde, aber wir betrachten Euch nicht als Brüder und Glieder der Kitche Christi; doch die Liebe, die man ja auch dem Feinde schuldet, soll Euch nicht versagt sein."


Luther und die luden

Seine bereits beim Marburger Gespräch erkennbare Härte fand später im Fall der aufständischen Bauern (unter der Führung von Thomas Müntzer) und der Juden eine befremdende Fortsetzung. Heute geht man soweit, Luthers Äußerungen als Vorläufer eines Antisemitismus darzustellen, der vor mehr als fünfzig Jahren unter Hitler ein grauenhaftes Ausmaß erreichte. Zu dieser Unterstellung schreibt ein katholischer Historiker: „Luthers 'Anti-Semitismus' kennt keine wie immer geartete Rassentheorie. Im Gegenteil, Luther hat durch sein ganzes riesiges Werk hindurch jede 'völkische Theologie', die den Samen Abrahams mit dem Volk Gottes identifiziert, immer abgelehnt und scharf bekämpft."

Wie kam es dennoch zu Luthers Äußerun-gen? Anläßlich Luthers 500. Geburtstages schrieb jemand dazu: „Der wichtigere Grund aber für die nicht zu beschönigenden Schmähungen gegen den Papst oder gegen die Juden war seine Angst, daß sie sich nicht bekehren wollten, solange noch Zeit war." Dazu kommt, daß bereits in den frühesten Jahren der Reformation die luden missionarisch aktiv wurden, so z.B. die „Sabbather" Luther sagte ihnen mit ihrem falschen Evangelium den Kampf an, der so weit ging, daß er die Fürsten sogar zur Vertreibung der Juden aufrief.

Bezüglich dieser negativen Seiten Martin Luthers schrieb jemand: „Es ist einfach, einen großen Mann zu kritisieren, nicht so einfach aber ist es, den Glauben eines Mannes Gottes nachzuahmen, indem man den Ausgang seines Wandelns anschaut. Das wollen wir tun, auch wenn wir nicht jedes Tun gutheißen können.


Und heute?

Schnell wurde aus dem, was vor allem Luther aus dem Wort Gottes lernen durfte, nicht nur eine geistliche Erweckung, sondern auch eine Lehre mit festgefügten Strukturen und Dogmen. Viele Landesfürsten stützten aus unterschiedlichen Gründen die Reformation. Das förderte zwar ihre Ausbreitung, aber letztlich mußte diese Verbindung zwischen Kirche und Staat ihr zum Verhängnis werden. Nach nahezu 500 Jahren Reformation kann sich die „Lutherische Kirche" wohl kaum trauriger darstellen. Da äußert die Hamburger Bischöfin Jepsen „Verständnis" für die Segnung eines homosexuellen Paares". Der Göttinger Theologieprofessor Lüdemann läßt in der Spiegel-Aus-gabe vom 19.2.96 (man beachte das Datum - einen Tag nach Luthers Todestag) seinen Anschauungen über Bibel, Jesus und Glauben auf sieben Seiten freien Lauf. Das Ergebnis ist - gelinde gesagt - erschütternd.

Bedenkt man 2. Timotheus 3,1-4, muß es zwar erschüttern, kann allerdings leider kaum noch überraschen.

Wenn dann Vertreter der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche anläßlich von Luthers 450. Todestag beschließen, "entschieden auf dem eingeschlagenen Weg der Okumene" weiterzugehen, und man eine "hoffnungsvolle Annäherung" früher strittiger Standpunkte feststellt, gehört nicht viel Fantasie dazu, sich Luthers Reaktion vorzustellen.

Andererseits darf man dankbar feststellen, daß durch Gottes Gnade diese „Kirche" viele treue Männer und Frauen gehabt hat. Erwähnt seien hier stellvertretend für viele andere Paul Gerhardt, August Hermann Francke oder die ganze Bewegung des Pietismus. Und wie viele mögen es sein, die heute aufgrund des Verfalls zu Gott rufen? Gott wird diese Gebete nicht unbeantwortet lassen.

Abschließend sei noch ein Wort von Johannes Calvin erwähnt, das einem Brief entnommen ist, den er 1544 an Heinrich Bullin-ger (den Nachfolger Zwinglis in Zürich) schrieb: „Ich höre, Luther sei kürzlich mit furchtbarem Schelten nicht nur über Euch, sondern über uns alle hergefahren ... Er hat einen maßlos leidenschaftlichen und kek-ken Charakter ... Aber das ist mein Wunsch, daß Ihr Euch darauf besinnt, welch großer Mann Luther doch ist, durch welche außerordentlichen Geistesgaben er sich auszeich-net, wie tapfer und unerschütterlich, wie geschickt, wie gelehrt und wirksam er bisher immer gearbeitet hat an der Zerstörung der Herrschaft des Antichrists und an der Ausbreitung der Lehre zur Seligkeit. Ich hab's schon oft gesagt: Wenn er mich den Teufel schölte, ich würde ihm doch die Ehre antun, ihn für einen ganz hervorragenden Knecht Gottes zu halten..."