Bibelstudium

Bibelkurs

1.1. Sprachliches

Die Bedeutung von „Opfer" bzw.„opfern" ist uns gut bekannt, denn beide Wörter werden auch in der Alltagssprache häufig verwendet. Von ihrer Herkunft sind sie u. a. mit „Operation" und „Offerte" verwandt. Sie gehen auf folgende lateinische Substantive und Verben zurück: opus, operis (n) = Arbeit, Werk; opera, operae (f) = Tätigkeit, Mühe, Dienst; offerre = entgegentra-gen, anbieten, darbringen; operari = (ursprünglich) arbeiten, wirken, verrichten, (daraus kir-chenlateinisch) Gott ein Opfer bringen, Almosen spenden.

Bei der näheren Beschäftigung mit den einzelnen Opfern werden wir auch noch auf spezielle hebräische und griechische Bezeichnungen zu sprechen kommen, die sehr hilfreich für ihr rechtes Verständnis sind.

 

1.2. Einleitende Bemerkungen

Im ganzen Alten Testament spielten Opfer eine wichtige Rolle. Sie bildeten vom Sündenfall bis zum Kreuz die Grundlage jeder echten Beziehung zu Gott. Für Israel waren die Einzelheiten des Opferdienstes im Gesetz, besonders im dritten Buch Mose, genau festgelegt. Gott selbst hatte alles bis ins kleinste geregelt, für die menschliche Phantasie blieb keinerlei Spielraum. Das zeigt, da diese Dinge für Gott von außerordentlicher Bedeutung gewesen sein müssen.

Aber dann sagt uns der Hebräerbrief ganz überraschend, daß das Blut von Stieren und Böcken keine einzige Sünde wegnehmen konnte und daß Gott eigentlich an diesen Opfern gar kein Gefallen gefunden hat (Heb 10,4-6). Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch sofort, wenn man die Erklärung der Schrift akzeptiert, da sämtliche alttestamentlichen Opfer nur vorbildliche Hinweise auf das einzigartige Opfer Jesu Christi waren. (Man könnte sie in etwa mit Vorwegweisern vergleichen.) Damit ist zugleich auch die Frage beantwortet, inwieweit die Einzelheiten der Opfer und des Opferdienstes heute überhaupt noch unser Interesse verdienen. Eben weil Gott bei allen diesen Anordnungen Christus, das Lamm Gottes, im Auge hatte, können sie uns im Licht des Neuen Testaments wunderbare Aufschlüsse über Seine Person und Sein Werk vermitteln. In diesem Sinn gilt für das 3. Buch Mose: „Nirgendwo sonst finden wir eine so umfassende und segensreiche Darlegung des Erlösungswerks Christi wie in diesem Buch" (A. C. Gaebelein).

Jeder Erklärungsversuch im Blick auf die biblischen Opfer, der ihren von Gott hineingelegten Vorbildcharakter ignoriert, wird zwangsläufig zu abwegigen, wenig überzeugenden Ergebnissen führen. Das wird an vielen „Befunden" der Religionswissenschaft deutlich.


1.3. Über Ursprung und Notwendigkeit der Opfer

Wir möchten uns in dieser Frage ausschließlich an das Wort Gottes halten. Die von der Religionswissenschaft vertretenen Auffassungen weichen natürlich erheblich davon ab. Ihre Hypothesen gehen ja im allgemeinen davon aus, daß auch die Opferkulte und die dahinterstehenden religiösen Vorstellungen eine Art evolutionärer Entwicklung durchlaufen haben. Ganz falsch ist das auch nicht, soweit es die nach der Sintflut entstandenen Götzenkulte betrifft (siehe dazu auch unter 1.4.). Die Bibel beschränkt sich, wenn es um den Ursprung der Opfer geht, auf die Mitteilung weniger, nüchterner Tatsachen.


1.3.1. Adam und Eva

Sobald das erste Menschenpaar - durch Übertretung des einzigen Verbots Gottes - in Sünde gefallen war, hatte es sein Leben verwirkt (1. Mo 2,17; Röm 6,23). Aber wir dürfen nicht nur daran denken. Für das richtige Verständnis der Opfer und vor allem des durch sie vorgeschatteten Opfers Christi ist es unbedingt erforderlich, die ganze schreckliche Tragweite des Sündenfalls vor Augen zu haben. In erster Linie wurde Gott dadurch verunehrt; Seine Liebe und Güte, Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit sowie die Wahrheit Seiner Worte blieben bis zum Kreuz in Frage gestellt. Aber dann hatte ihr Ungehorsam auch für sie selbst (sieht man von der Gnade Gottes ab) furchtbare Konsequenzen: zeitliche und ewige Trennung von Gott.

Er bekleidete damals Adam und Eva, die den Tod verdient hatten, mit Röcken von Fell (1. Mo 3,21); Tiere mußten sterben. Obwohl nicht direkt von einem Opfer die Rede ist, wird in dieser Handlung erstmalig ein wichtiger neuer Grundsatz deutlich: der zum Sünder gewordene Mensch kann nur aufgrund des stellvertretenden Todes eines unschuldigen Opfers vor Gott bestehen und Gemeinschaft mit Ihm haben. Eine Wiedergutmachung nach eigenen Vorstellungen und durch eigene Bemühungen (Schürzen aus Feigenlaub) ist nicht möglich, auch wenn sich alle Religionen im Gefolge Kains beharrlich über diese Tatsache hinwegsetzen.


1.3.2. Kain und Abel

Kain und Abel kannten das furchtbare Geschehen und die göttliche Reaktion darauf nur aus den Mitteilungen der Eltern. Inwieweit jeder von ihnen bereit gewesen war, daraus die notwendigen Schlüsse für seine eigene Position vor Gott zu ziehen, wurde anläßlich ihrer Opfergabe deutlich (lies 1. Mose 4,1-4). Kain ignorierte alles zuvor Geschehene und konnte daher (als erster einer langen Reihe) dem Irrtum verfallen, Gott durch „Eigenleistung" zufriedenstellen zu können. Abel dagegen hatte verstanden, daß er - nicht anders als seine Eltern - völlig auf Gottes Gnade angewiesen war. Ihm muß auch bewußt geworden sein, daß die Begnadigung Adams und Evas dadurch ermöglicht worden war, daß Gott unschuldige Tiere an ihrer Statt getötet hatte. Obwohl Abel, soweit wir wissen, noch nie ein Tier, und mit Sicherheit keinen Menschen hatte sterben sehen, orientierte sich sein Glauben bezüglich seiner Opfergabe einfach an dem Handeln Gottes. Und so konnte Gott seine Opfergabe annehmen, weil sie - Abel wohl kaum bewußt - vorbildlich von dem Opfertod Seines Sohnes redete. Die Opfer Kains und Abels unterschieden sich nicht nur in der Opfergabe, sondern prinzipiell - sie waren Ausdruck von Unglauben bzw. Glauben (vgl. Hebräer 11,4). Jetzt wollen wir noch einmal auf die heidnischen Opfer zurückkommen.


1.4. Der Unterschied zwischen den heidnischen Opferkulten und dem Opferdienst nach dem Gesetz

Neben dem von Gott so angeordneten Opferdienst Israels gab und gibt es ja mehr oder weniger ähnliche Opferhandlungen auch bei anderen Völkern. Worin besteht hier eigentlich der wesentliche Unterschied?


1.4.1. Der Hintergrund der heidnischen Opfer

Wir konnten soeben in den Opfergaben Kains und Abels zwei grundverschiedene menschliche Vorstellungen über die Annahme des Sünders durch Gott erkennen: einerseits den Weg eigener Bemühungen und andrerseits Annahme aufgrund des Todes eines Stellvertreters. Jede selbstgemachte Religion propagiert den ersten Weg (eigenes Verdienst), die Bibel ausschließlich den zweiten (göttliche Gnade). So liegt allen heidnischen Opferhandlungen die irrige Vorstellung des Unglaubens zugrunde, der Mensch sei Gott gegenüber zu irgendeiner Form von Wiedergutmachung imstande und verpflichtet. Aber Gott kann solche Opfer ebensowenig annehmen wie dasjenige Kains. Als sich nach der Sintflut der Götzendienst breitmachte, wurde aus falschem Gottesdienst sehr bald Dämonendienst (Röm 1,21-25; 1. Kor 10,19.20). Da die heidnischen Opferriten willkürliche Festlegungen sind und sich im wesentlichen von dem vermeintlichen Charakter des jeweiligen Götzen herleiten, können sie sehr grausame Formen annehmen (Kinderopfer, Selbstverstümmelung usw.).


1.4.2. Die Einmaligkeit der Opfer nach dem Gesetz

Die Israel befohlenen Opfer dagegen sollten eine dauerhafte Beziehung zwischen Gott und seinem erwählten Volk ermöglichen, das ja in keiner Weise besser war als andere Völker. An sich konnte tierisches Opferblut in Israel natürlich ebensowenig Sündenvergebung bewirken wie bei den heidnischen Opfern. „Denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnehmen" (Heb 10,4). Die sühnende Funktion dieser Tieropfer lag ausschließlich in Gottes Vorausblick auf das vollkommene Opfer Christi begründet. Diese Opfer redeten (wenn sie strikt nach Gottes Anweisung dargebracht wurden) vorbildlich von dem noch zukünftigen Opfertod Christi, der Gott jedoch schon damals eine gerechte Grundlage für die Vergebung von Sünden bot. Aber weil alles noch einen vorläufigen Charakter trug, nennt es der Römerbrief „Hingehenlassen der vorher geschehenen Sünden" (Röm 3,25). Gott konnte gleichsam aufgrund des Opfers, das ein Israelit glaubend darbrachte, über seine Sünde hinwegsehen, bis sie am Kreuz tatsächlich gesühnt wurde.

Trotz äußerlicher Ähnlichkeiten zwischen dem israelitischen Opferdienst und heidnischen Kulthandlungen, unterscheiden sie sich im Kernpunkt - hinsichtlich der Fähigkeit, Sündenvergebung zu bewirken - wie Tag und Nacht. Der Opferdienst Israels war unter dem Gesetz die von Gott bestimmte Form, Buße und Glauben vor Ihm zum Ausdruck zu bringen, und somit Sündenvergebung zu erlangen. Das machte seine Einmaligkeit und Überlegenheit über alle sonstigen Opferkulte aus. Natürlich nicht das Opfer an sich, als ein gutes Werk etwa, sondern Glauben und Gehorsam gegen Gottes Wort erwirkten dem Israeliten Gnade.


1.5. Arten der Opfer

Nun noch ein erster Überblick über die Opferarten; auf Einzelheiten wollen wir später zurück-kommen. In dem wichtigsten Schriftabschnitt über die Opfer - 3. Mose 1-7 - werden fünf Hauptarten von Opfern behandelt:

 

Brandopfer

(3. Mo 1; 6,1-6) hebr.: ola - das, was aufsteigt, (in Rauch) aufgeht

Speisopfer

(3. Mo 2; 6,7-16) hebr.: mincha - Darbringung, Gabe, Opfer

Friedensopfer

(3. Mo 3; 7,11-34)

hebr.: zebach selamim (zebach = Schlachtopfer).

Je nach dem Anlaß des Opfers werden drei Unterarten unterschieden:

  • Dank- oder Lobopfer, hebr.: zebach hattoda
  • Gelübdeopfer, hebr.: zebach neder;
  • freiwilliges Opfer, hebr.: zebach nedaba.

Sündopfer

(3. Mose 4; 6,17-23) hebr.: chattat - Sünde, Sündopfer

Schuldopfer

(3. Mose 5; 7,1-10) hebr.: ascham - von „schuldig sein"


Weitere Begriffe in Verbindung mit dem Opferdienst sind:

Hebopfer (hebr.: teruma - heben)

Ein für Gott bestimmter (freiwilliger oder vorgeschriebener) Anteil bestimmter Opfer bzw. des Persönlichen Besitzes, der gewissermaßen vom Ganzen „abgehoben" wurde.

Web- oder Schwingopfer (hebr.: tenupha - schwingen)

Etwas, was auf den Händen liegend vor Gott hin- und herbewegt wurde, um auszudrücken, daß es Ihm gehört, selbst wenn es dann dem Priester oder Heiligtum übereignet wurde. Der Name geht auf die Hin- und Herbewegung des Weberschiffchens zurück.

Trankopfer (hebr.: nesek - ausgießen)

Im Opferdienst: eine Beigabe von Wein zu bestimmten Opfern.