Kleidung und Zeitgeist
Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie erkannten, dals sie nackt waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen" (1. Mo 3,7). Dies war die erste Reaktion Adams und Evas, nachdem sie von der verbotenen Frucht gegessen und somit ausdrücklich gegen das Gebot Gottes verstoßen hatten, nicht „von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen" (2,17) zu essen. Eva hatte (bevor sie von der Frucht nahm) beim Anblick des Baumes gemeint, daß er „eine Lust für die Augen, und daß der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben" (3,6). Diese neue Einsicht lag dann in der Erkenntnis, nackt zu sein.
1. Anfänge und Funktionen der Kleidung
Von nun an war die Sünde in den Menschen, und der Mensch hatte sofort das Bedürfnis, sich zu bekleiden: „Und der HERR Gott rief den Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten, und ich fürchtete mich, denn ich bin nackt, und ich versteckte mich" (3,9.10). Nachdem Gott mit Adam und Eva geredet und ihnen die Konsequenzen ihres Tuns vorgestellt hatte, machte er ihnen „Röcke von Fell und bekleidete sie" (3,21). Daraufhin mußten sie das Paradies verlassen.
Seit dieser Zeit ist es „normal", daß sich Menschen bekleiden, und „unnormal" wenn sie dies nicht tun. Das sehen wir beispielsweise an dem von Dämonen besessenen Gadarener. Von ihm wird zuerst gesagt, daß er „keine Kleider anzog" (Lk 8,27). Als der Herr aber die Dämonen ausgetrieben hatte, saß er „bekleidet und vernünftig" (V. 35) zu den Füßen Jesu. Neben seinem Verhalten war es also besonders die Tatsache, daß dieser Mann keine Kleidung trug, die der Umgebung etwas über seine innere Verfassung mitteilte. Öffentliche Nacktheit kann somit ein Zeichen psychischer Gestörtheit sein (wie in diesem Falle); daneben dient sie in der Bibel auch häufig als Bild der Schande (vgl. z.B. Hes 16,36; 23,26).
2. Kleidung und Gesellschaft
Das äußere Erscheinungsbild eines Menschen setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: aus seiner Haltung, seinem Auftreten, seiner Frisur und besonders auch seiner Kleidung. Alle diese Faktoren werden sowohl von dem Wesen und der Einstellung des einzelnen als auch von den kulturellen Gegebenheiten seines Landes und seiner Zeit beeinflußt. Was die Kleidung betrifft, so ist deren Produktion in der heutigen Zeit wie niemals zuvor dem Diktat der Mode unterworfen, in der wiederum „der Zeitgeist zur Darstellung"1 kommt. Diese Tatsache wird unter anderem daran deutlich, daß revolutionäre Bewegungen innerhalb der Gesellschaft (wie beispielsweise die Französische Revolution oder die 1968er Studentenbewegung) stets erhebliche Auswirkungen auf die Kleidungsgewohnheiten hatten.2
Der aktuelle „Zeitgeist" läßt sich folgendermaßen beschreiben: „In den Sechzigern begann [...] jene Erschütterung der Maßstäbe, [...] die nun in knapp dreißig Jahren erreicht zu haben scheint, was davor keiner Diktatur in diesem Jahrhundert gelungen ist: die Zerstörung des westlichen Universums der Werte, ein Riß durch die Welt. [...] Was Jahrhunderte als Verbrechen galt, ist zu einer Angelegenheit freier Wahl geworden. Kaum eine Perversion ist noch mit einem Stigma behaftet [= sozial gebrandmarkt], sondern im Gegenteil derjenige, der sie als letzter zu hinterfragen wagt. Die neue Moral leugnet den alten Wertekatalog der westlichen Kultur im ganzen und ersetzt ihn durch die willkürlichen Gebote eines diffusen Multikulturalismus."3 In den verschiedenen Modekreationen kommen also viele Faktoren zum Tragen. Dabei spielen sowohl die zunehmende Wendung hin zur Natur und die Idealisierung der Jugendlichkeit als auch Entartung und Perversion sowie das Verarbeiten häßlicher Komponenten als Ausdruck einer Protesthaltung gegen bestehende Normen eine nicht zu unterschätzende Rolle.4 Das hindert die Käufer aber nicht daran, Modeartikel zu kaufen, die sämtliche Grenzen überschreiten, da man ja schließlich „in" sein möchte.
Der Mensch hat als einziges Lebewesen der Schöpfung die Möglichkeit, seine Bekleidung selbst zu wählen. Er wurde als „Mann und Frau" (männlich und weiblich) (1. Mo 1,27) geschaffen. Zwei verschiedene Individuen: sich erganzend, zueinander passend, mit einem Ursprung und einem Ziel, aber verschieden in der Mentalität, verschieden in der von Gott angeordneten Stellung sowie verschieden im äußeren Erscheinungsbild.
Heutzutage ist es jedoch so, daß die Mode diese Unterschiede zunehmend zu nivellieren versucht: „Daß sie auch die Trennung der Geschlechter verwischen kann, ist vielleicht die unheimlichste ihrer Wirkungen. Auf Trennung, Verwischen und Überschreiten von Grenzen spezialisiert, entzieht sich die Mode der ordentlichen Einordnung, stiftet sie Unruhe"5. Anstatt die Trennung der Geschlechter zu bestätigen, „zersetzt sie die Ordnung"6.
3. Praktische Konsequenzen
Auf Überschreitung von Grenzen war schon Eva aus, als sie mit den Augen gesehen und mit dem Herzen das Verbotene begehrt hatte. Sie hatte willentlich das Gebot Gottes übertreten. Anders dagegen die Versammlung in Laodizäa, die nicht mehr in der Lage war, ihren eigenen Zustand zu erkennen. Ihr wurde vom Herrn gesagt: „Ich rate dir, Gold von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, auf daß du reich werdest; und weiße Kleider, auf daß du bekleidet werdest, und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde; und Augensalbe, deine Augen zu salben, auf daß du sehen mögest" (Offb 3,18).
Laodizãa war also gewissermaßen im dunkeln über seinen eigenen Zustand; deshalb wurde ihm mitgeteilt, wie sein Verhalten zu korrigieren sei, damit es dem Herrn gefalle. Dieses Ziel verfolgte auch Paulus unter anderem in seinem Brief an die Thessalonicher: „Übrigens nun, Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, wie ihr von uns empfangen habt, in welcher Weise ihr wandeln und Gott gefallen sollt, wie ihr auch wandelt, daß ihr reichlicher zunehmet. Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit" (1. Thes 4,1.3). Sind wir ernsthaft bemüht, den Willen Gottes - auch in bezug auf die Kleidung - zu erfüllen, dann dürfte es auch mit seiner Hilfe gelingen, die Aufforderung des Paulus an die Gläubigen in Rom in die Tat umzusetzen: „Ein jeder von uns gefalle dem Nächsten zum Guten, zur Erbauung" (Röm 15,2).
1 Barbara Vinken: Mode nach der Mode. Geist und Kleid am Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main (Fischer) 1993, S. 35.
2 vgl. Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden, hrsg. und bearbeitet von Meyers Lexikonredaktion, Mannheim/ Leipzig/Wien/Zürich (B.I.-Taschenbuchverlag) 41992, Bd. 12, S. 8.
3 Franz M. Oppenheimer: Der Riß im Universum oder Die Urenkel der Pilgerväter, in: Frankfurter Allgemeine Magazin, Heft 814 vom 6. Oktober 1995, S. 29f.
4 vgl. Vinken, S. 34, 60 u. 62, sowie Dieter Baacke: Wechselnde Moden. Stichwörter zur Aneignung eines Mediums durch die Jugend, in Dieter Baacke u.a.: Jugend und Mode. Kleidung als Selbstinszenierung, Opladen (Leske + Budrich) 1988, S. 11-65, hier S. 61.
5 Vinken, S. 24.
6 ebd., S. 25.
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