Bibel praktisch

Ohne mich könnt ihr nichts tun

Langsam weicht das Dunkel der Nacht der Morgendämmerung. Einsam zieht ein Fischerboot seine Bahn Richtung Seeufer. Im Boot sitzen sieben Män-ner, zum Teil erfahrene Fischer, die den See gut kennen. Die Männer sind enttäuscht. Die ganze Nacht über haben sie hart gearbeitet, sie haben sich bemüht, doch nicht ein einziger Fisch ist ihnen ins Netz gegan-gen. Jetzt kehren sie müde und hungrig zurück.

Am Ufer steht ein Mann. Er spricht die Fischer, als sie näherkommen, an: „Habt ihr wohl etwas zu essen?" Nein, sie hatten nichts, keinen einzigen Fisch. Jetzt kommt eine seltsame Aufforderung: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Schiffes aus, dann werdet ihr finden", so sagt ihnen der Fremde. Die Fischer sehen sich an. Noch einmal hinausfahren? Und dann die Netze auf der rechten Seite auswerfen? Das war eigentlich gegen die Logik eines Fischers. Doch sie tun es. Und das Ergebnis? Ein überwältigender Fischfang!

Sicher haben wir längst gemerkt, wer die Männer in dem Schiff sind. Es sind die Jünger des Herrn. Und der Mann am Ufer ist Jesus. So wird es uns in Johannes 21 berichtet (bitte lies aufmerksam das ganze Kapitel). Erst nach dem großen Fischfang dämmert es einem der Jünger, und er sagt: „Es ist der Herr" (Vers 7).

Die Jünger waren um eine Erfahrung rei-cher. Der Herr hat ihnen praktischen Unterricht erteilt, und die Junger haben ihre Lektion sicher gelernt. Auch wir können aus dieser Begebenheit Nutzen für unser Leben ziehen. Als Uberschrift über dieses Kapitel wollen wir einmal die Worte unseres Herrn setzen, der zu einer anderen Gelegenheit Seinen Jüngern gesagt hatte: „Denn außer mir könnt ihr nichts tun" (Joh 15,5). Das zu begreifen, fällt uns in der Theorie wohl nicht so schwer, in der Praxis dafür um so mehr. Deshalb wollen wir aus dieser Geschichte die folgenden fünf Lektionen für uns lernen:


Lektion 1:

Handeln ohne den Herrn führt zu Mißerfolg: Der Herr Jesus hatte Seinen Jüngern den Auftrag geben lassen, in Galiläa auf Ihn zu warten (Mt 28,7). Als ihnen die Zeit lang wurde, kam Petrus auf die Idee, fischen zu gehen. Der Gedanke war naheliegend, denn schließlich war der See Tiberias ja ihr ehemaliger Arbeitsplatz gewesen. Von dort aus hatte der Herr sie - jedenfalls zum Teil - auch berufen. Die anderen Jünger fanden Petrus' Idee gut. So kam es dazu, daß sie in jener Nacht hinausfuhren; doch sie fingen nichts.

War es denn böse, was die Jünger taten? Ist Fischen etwa Sünde? Natürlich nicht. Was die Jünger hier taten, war an sich völlig in Ordnung. Der springende Punkt ist, daß sie ohne einen konkreten Auftrag ihres Meisters handelten. Anders ausgedrückt: Sie handelten unabhängig von Ihm. Sie sollten Ihn in Galiläa sehen, so war ihnen gesagt worden, aber es war keine Rede davon gewesen, daß sie sich die Wartezeit mit Fischen vertreiben sollten.

Das Ergebnis war eine Pleite. Sie fingen nichts. Aber halt! Jetzt wollen wir lieber an uns denken. Kennen wir das nicht auch? Da haben wir uns echt bemüht, haben uns für irgend etwas ganz eingesetzt - und das Er"gebnis war eine volle Bauchlandung. Wenn wir etwas Böses getan haben, dann wissen wir schnell, warum so etwas passiert. Aber wenn die Sache in Ordnung war, dann finden wir vielleicht keine Antwort darauf, warum uns das nicht gelingen wollte. Hier kann uns die Erfahrung der Jünger helfen. Haben wir auftragsgebunden gehandelt, oder hatten wir keine Weisung des Herrn? Wenn ich meine Tochter bitte, den Tisch zu decken, und sie wischt statt dessen Staub, dann ist das eigenes Handeln und daher nicht in Ordnung. Deshalb wollen wir fest-halten: Handeln ohne den Herrn führt zu Mißerfolg. Handeln auf Seine Weisung hingegen ist immer segensreich.


Lektion 2:

Eigenes Handeln macht blind: Als die Jünger das Ufer ansteuerten, stand der Herr dort und wartete auf sie. Doch für die Jünger war Er zunächst nur ein Fremder. Sie erkannten Ihn nicht und wußten zuerst nicht, wer Er war. Erst durch Sein Handeln und Seine Worte kommt Johannes schließlich zu der Erkenntnis, daß es wohl der Herr sein müsse.

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum auch wir manchmal in unseren Umständen den Herrn Jesus nicht klar erkennen. Als die Jünger in dem Sturm auf dem See waren, erkannten sie den Herrn vor Angst nicht (Mt 14,26). Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus waren so von Enttäuschung über-wältigt, daß sie nicht bemerkten, wer es war, der mit ihnen ging (Lk 24,15). Maria Magdalene war, als sie am Grab stand, so voll Trauer, daß sie ihren geliebten Meister mit dem Gärtner verwechselte (Joh 20,14). Hier in unserer Begebenheit war es Unabhängigkeit, um nicht zu sagen: Ungehorsam.

Eigenmächtiges Handeln macht uns blind. Plötzlich erkennen wir unseren Herrn nicht mehr. Wir werden orientierungslos und müssen dann, wie die Jünger, schließlich unseren Mißerfolg eingestehen. Deshalb dürfen wir uns gegenseitig Mut machen, den Herrn erst gar nicht aus den Augen zu verlieren. Mit Seinen Augen will Er uns leiten (Ps 32,8). Wir brauchen den ständigen Sichtkontakt, um eben nicht in Unabhängigkeit zu agieren.


Lektion 3:

Der Herr verliert uns nicht aus den Augen: Die Jünger waren ohne den Herrn fischen gegangen. Das Ergebnis war Mißerfolg. Und der Herr? Bis zu einem gewissen Punkt ließ Er Seine Jünger gewähren. Die leeren Netze sollten ihnen nicht erspart bleiben. Doch wenn auch die Jünger Ihn aus den Augen verloren hatten, Ihm war die Situation nicht entglitten. Er sah Seine Jünger auch in der Nacht, und als der Morgen graute, stand Er am Ufer und erwartete sie.

Der Herr wußte, wann die Jünger Ihn brauchten. Und Er war da, um sie wieder auf die richtige Spur zu bringen. Im rechtzeitigen Augenblick gibt Er sich zu erkennen.

Diese Erfahrung werden wir auch machen. Wenn wir eigene Wege gehen und meinen, ohne Ihn handeln zu können, läßt Er uns bisweilen gewähren. Schließlich stehen wir mit leeren Händen da und müssen unseren Mißerfolg eingestehen. Doch wie ermutigend ist es, daß der Herr uns nicht fallen läßt. Wenn wir mit uns selbst fertig sind, dann greift Er zu unseren Gunsten ein und hilft uns wieder zurecht. Das ist unser Herr, voll Güte und Barmherzigkeit.

 

Lektion 4:

Der Herr will uns gebrauchen, aber Er braucht uns nicht: Der weitere Verlauf des Kapitels zeigt uns, daß der Meister Aufgaben gibt. Er wollte die Jünger damals gebrauchen, und Er möchte uns heute gebrauchen. Doch bevor der Herr Jesus davon spricht, was Seine Jünger (hier besonders Petrus) für Ihn tun sollten, hatten sie noch eine wichtige Unterweisung nötig, nämlich daß der Herr Jesus nicht auf uns und unseren Dienst angewiesen ist.

Als die Jünger Ihn noch nicht erkannt hat-ten, stellte Er ihnen die Frage: „Habt ihr wohl etwas zu essen?" , und sie mußten gestehen: „Nein." Als sie dann später mit den gefangenen Fischen erneut ans Ufer kamen, zeigte der Herr Jesus ihnen, daß Er ihre Fische gar nicht unbedingt brauchte. Auf einem Kohlenfeuer lag bereits Fisch und Brot. Alles war bereit, und das ohne die Hilfe der Jünger. Sie hatten gar nichts dazu beitragen können.

Kommen wir uns nicht manchmal ganz schön wichtig vor? Vielleicht meinen wir sogar bisweilen, daß es ohne uns gar nicht geht. Gerade bei der Arbeit für den Herrn (z.B. Kinderarbeit, Jugendstunde, Chor, evangelistische Einsätze usw.) ist die Ein-stellung: „Da läuft ohne mich doch gar nichts" völlig fehl am Platz. Natürlich will der Herr uns gern in Seinem Dienst gebrauchen. Für jeden gibt es Arbeit. Jeder hat seine Funktion. Ja, Er wartet auf unsere Bereitschaft, uns Ihm ganz zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen und sollen auch keine Minderwertigkeitskomplexe haben. Aber nötig hat Er uns nicht. Das Werkzeug ist doch nicht wichtiger als der Meister, der es führt? Und solche Werkzeuge in Seiner Hand, das wollen wir doch alle sein. Jede Wichtigtuerei ist ein Hindernis und keine Hilfe.


Lektion 5:

Die Liebe darf unser Handeln motivieren: Noch eine weitere Belehrung wollte der Herr Seinen Jüngern geben, bevor Er dann konkrete Aufträge gab. Sie sollten lernen, daß nur die Liebe zu Ihm das wahre Motiv für ihr Handeln sein kann.

Dreimal hörte Petrus die herzerforschende Frage seines Meisters: „Hast du mich lieb?" „Liebst du mich?" Wir können uns gut vorstellen, was Petrus empfunden hat und wie er traurig wurde. Er war es doch gewesen, der vor allen anderen den Eindruck erweckt hatte, als würde er den Herrn am meisten lieben. Doch der Herr wollte Petrus nicht in seiner Traurigkeit lassen. Nein, Er machte ihm klar, daß er nur dann ein brauchbarer Diener sein könnte, wenn er seinen Meister wirklich lieb hatte.