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Christ und Arbeit

Lieber Bruder Wuttig,

Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 13.6. Deine Ge-

danken werfen sicherlich neues Licht auf das Thema „Der Christ und sein Beruf". Mich persönlich würde es sehr interessieren, wie W. Kelly selbst auf Deine Fragen geantwortet hätte. Die Einstellung dieses herausragenden Bibelkenners und -auslegers gibt aber eine kurze Begebenheit wieder, die hier kurz erwähnt sei: Als Kenner alter Sprachen traf Kelly mit einem seiner Professoren zusammen. Als dieser ihm sag-te, daß er als Gelehrter ein Vermögen machen könne, stellte Kelly nur die einfache Gegenfrage: „Für welche Welt"? (Quelle: A. Remmers, Gedenket eurer Führer, S. 79ff.).

Vielleicht gestattest Du einige Gedanken zu Deinen Ausführungen. Zwei Themenbereiche scheinen sich dabei zu ergeben, nämlich erstens die Frage, ob man im Zusammenhang mit unserer Berufstätigkeit „weltliche" und „heilige" Dinge trennen kann, und zweitens, ob es für einen Christen gewisse „Tabuberufe" gibt. Auf den ersten Punkt möchte ich etwas ausführlicher eingehen:

Wie bei allen Fragen, die in unserem Leben auf-kommen, wollen wir versuchen, auch hier eine Antwort aus der Bibel zu finden. Natürlich ist die Bibel kein Lexikon, in dem wir unter einem bestimmten Stichwort nachschlagen könnten, aber Gott gibt uns doch in Seinem Wort Hinweise und Grundsätze, die uns weiterhelfen.

Die von Dir erwähnte Stelle in Kolosser 3,17 gibt uns einen allgemeinen Grundsatz: „Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus." Dies betrifft ohne Zweifel jede Art der Tätigkeit, sei es unser Beruf, unsere Arbeit, unsere Freizeitakti-vitäten etc. Alles im Namen des Herrn zu tun, bedeutet, es so zu tun, als ob Er der Auftraggeber ist, in dessen Auftrag wir etwas tun. Deshalb fügt Paulus etwas später auch hinzu: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn" (Vers 23). Das geht ohne Frage sehr weit und stimmt uns alle nachdenklich, wenn wir unseren Tagesablauf überdenken. Die Frage ist nun, ob die Bibel (und besonders das NT) unser Tun trennt in die Bereiche „irdische Arbeit" (Beruf) und „geistliche Arbeit" (Werk des Herrn). Ich meine ja, wobei ich statt trennen lieber unterscheiden sagen würde. M.E. gibt es eine ganze Reihe von Bibelstellen, die eine solche Unterscheidung belegen.

Zunächst zur irdischen Arbeit: Gottes Wort kennt und bejaht unterschiedliche Berufe. Das NT spricht z.B. von dem Beruf des Fischers, des Zeltmachers, des Arztes, des Landwirtes etc. Des weiteren gibt Gott uns klare Anweisungen, wie wir uns im Beruf zu verhalten haben, sei es als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber (z.B. Kol 3 und 4 und Eph 6). Daß wir in dieser Arbeit den Herrn ehren und Eigenschaften wie Ehr-lichkeit, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit sichtbar werden sollen, steht außer Frage, wenn wir es „im Namen des Herrn Jesus tun

Darüber hinaus wird uns aber auch Klargemacht, warum wir einem Beruf nachgehen sollen. Die Briefe an die Thessalonicher werfen Licht auf diese Frage. In beiden Briefen behandelt Paulus aus gegebenen Anlaß dieses Thema und fordert die Briefempfänger auf, mit ihren eigenen Händen zu arbeiten. Dafür nennt er zwei Gründe (1. Thes 4,11.12):

  1. zum Zeugnis den Ungläubigen gegenüber
  2. um für den eigenen Unterhalt aufkommen zu können

Der zweite Grund wird im 2. Brief noch vertieft (Kap. 3,10-12). Dort geht Paulus soweit, daß er sagt: „Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen." Hier wird ganz deutlich, daß es darum geht, daß wir arbeiten, um ein „ordentliches" Leben führen zu können. Das Berufsleben bietet dem Christen einerseits eine Chance zum Zeugnis, andererseits kann er so für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen.

Doch der Beruf und die Karriere sind nicht alles für den Christen, und sie stehen auch nicht an erster Stelle. Unsere irdische Arbeit ist wichtig, sie wird für den Herrn getan, aber es gibt anderes, das wichtiger ist. Gottes Wort spricht ganz klar von „geistlicher" Arbeit und unterscheidet diese von der Berufsaus-übung im täglichen Leben. Nachfolgend einige Ausdrücke aus dem NT, die diese „geistliche" Arbeit umschreiben:

  • arbeiten im Herrn (Röm 16,12)
  • arbeiten am Werk des Herrn (1. Kor 15,58 und 16,10)
  • unter den Gläubigen arbeiten (1. Thes 5,12)
  • arbeiten in Wort und Lehre (1. Tim 5,17)
  • arbeiten in der Ernte Gottes (Mt 9,37-38)
  • mitarbeiten in Christus Jesus (Röm 16,3)
  • Gottes Mitarbeiter sein (1. Kor 3,9; 1. Thes 3,2)
  • mitarbeiten am Reich Gottes (Kol 4,11)
  • Mitarbeiter der Wahrheit sein (3. Joh 8)

Diese Formulierungen können wir wohl kaum auf einen irdischen Beruf anwenden. Sie sind für jeden Christen eine Herausforderung, der wir nicht ausweichen wollen. Bin ich bereit, mich in dieser Weise für das Werk Gottes zu engagie-ren, oder konzentriere ich mich ganz auf andere Dinge (z.B. meinen Beruf, meine Freizeit)? Der Prophet Haggai macht ganz klar, wo auch für uns die Prioritäten liegen sollten (vgl. z.B. Kap. 1,2-8).

Das Beispiel des Apostels Paulus hilft uns hier sicher auch weiter. Sein erstes Interesse galt dem Werk des Herrn, und hier „arbeitete" er wie kein anderer (vgl. z.B. 1. Kor 15,10; Gal 4,11; Phil 2,16). Dennoch zeigt uns die Bibel klar, daß Paulus einen Beruf hatte (Apg 18,3) und diesen auch ausübte, um niemand auf der Tasche zu liegen oder jemand einen Anlaß zu geben, über ihn zu reden (vgl. Apg 20,35; 1. Kor 4,12; 1. Thes 2,9; 2. Thes 3,8). Obwohl er durchaus ein Recht hatte, von der Unterstützung seiner Glaubens-geschwister zu leben, gebrauchte er dieses Recht nicht (1. Kor 9,12-15), sondern sorgte für seinen eigenen Lebensunterhalt.

Nun wird sich niemand von uns mit Paulus vergleichen wollen. Aber das Prinzip ist über-tragbar. Der Beruf ist wichtig, und wir wollen uns darin so verhalten, wie es sich für einen Christen gehört. Dennoch könnten wir sagen, daß die Ausübung eines Berufs, obwohl wir ihn im Namen des Herrn ausüben dürfen, in erster Linie unseren eigenen Bedürfnissen dient. Arbeit im Reich Gottes wird auch im Namen des Herrn getan (darin gibt es keinen Unterschied), aber sie dient nicht meinen eigenen Bedürfnis-sen, sondern den Bedürfnissen anderer (sei es denen der Geschwister oder der Ungläubigen). Deshalb wollen wir diese Bereiche zwar nicht trennen, aber doch unterschieden.

Noch einmal: Alle Tätigkeit sollte „im Herrn" getan werden. Er beurteilt unsere Motive. Eine irdische Aufgabe bringt Verpflichtungen mit sich, denen wir uns weder entziehen können noch wollen. Eine Hausfrau und Mutter von mehreren Kindern kann und darf z.B. ihre erste Aufgabe darin sehen, für ihre Familie zu sor-gen. Aber wir müssen aufpassen, daß wir uns in den täglichen Pflichten nicht verlieren und für das Werk des Herrn keine Zeit und keine Kraft mehr haben.

Das zweite Thema, das Du anschneidest, ist die Frage, ob man als Christ jeden Beruf ergreifen kann oder ob es Berufe gibt, die für einen Christen tabu sind. Dieses Thema war nun überhaupt nicht Gegenstand der beiden angesprochenen Artikel und müßte vielleicht einmal separat behandelt werden, weil es ohne Frage wichtig ist. Ich persönlich habe keinen Zweifel, daß es Berufe gibt, die ein Christ, objektiv beurteilt, nicht ergreifen kann, weil ihre Ausübung unmittelbar mit Sünde im Zusammenhang steht. Daneben gibt es sicher eine ganze Reihe von Berufen, in denen jeder sein eigenes Gewissen befragen muß. Ich stimme Dir zu, daß gerade in diesen Fragen, wo das Gewissen des einzelnen angesprochen ist, in jedem Einzelfall eine sorgfältige Prüfung vor Gott notwendig ist, um die Leitung des Heiligen Geistes zu erkennen. Die von Dir erwähnten Beispiele sollten jeden Leser nachdenklich stimmen.