Post von Euch

Schon lange liegt ein Zettel auf meinem Schreibtisch mit einer Frage an Sie: Wie kann die Aufforderung erfüllt werden, die in Sprüche 24,11 steht, wenn totalitäre Regime herrschen (Hitler, Islam, Kommunismus...)? „Errette die zum Tode geschleppt werden, und die zur Würgung hinwanken, o halte sie zurück." Auch der Vers 12 ist sehr vielsagend Wie viele, die danach handelten, sind auch „nur" umgekommen. Helfen konnten nur sehr wenige. Auch Jesaja 33,15: „Wer sein Ohr verstopft, um nicht von Bluttaten zu hören, und seine Augen verschließt, um Böses nicht zu sehen ...", scheint eine unmögliche Aufforderung zu sein und zudem ein Widerspruch zu dem Vers aus Sprüche

G. Zander, Berlin


Sie hatten die Frage, wie man das Schriftwort: „Errette, die zum Tode geschleppt werden, und die zur Würgung [Schlach tung] hinwanken, o halte sie zurück! Wenn du sprichst: Siehe, wir wußten nichts davon - wird nicht er, der die Herzen wägt, es merken? und er, der auf deine Seele acht hat, es wissen? Und er wird dem Menschen vergelten nach seinem Tun" (Sprüche 24,11.12) heutzutage in die Praxis umzusetzen hätte. Dieses Problem hat mich auch schon öfter bewegt, und ich habe nun Ihren Brief zum Anlaß genommen, noch einmal in der Bibel nach Antwort zu suchen.

Verschiedene Stellen, wo „Schlachtung" bzw. „Würgung" (in der nichtrev. Elb Ubers.) und ähnliche Ausdrücke gebraucht werden, zeigen, daß damit meistens gewaltsamer Tod durchs Schwert oder Mord ge meint sind (z.B. Jos 8,24; Hes 21,16). Diese Dinge kennzeichnen, wie Sie auch schrei ben, vor allem Diktaturen mit den verschiedensten ideologischen oder religiösen Hintergründen. Die Bibel gibt uns viele Beispiele, wie sich Gläubige vor uns angesichts von Unrecht und Gewalt verhielten. Ich möchte auf einige davon kurz hinweisen.

Schon ehe Psalm 82,4 geschrieben wurde (Befreiet den Geringen und den Dürftigen, errettet ihn aus der Hand der Gesetzlosen!"), benutzte Hiob seinen nicht geringen Einfluß zugunsten Unterdrückter: „Vater war ich den Dürftigen, und die Rechtssache des-sen, den ich nicht kannte, untersuchte ich; und ich zerbrach das Gebiß des Ungerech-ten, und seinen Zähnen entriß ich die Beu-te" (Hiob 29,16.17).

... Schwere Zeitumstände stellten und stellen die Gläubigen immer wieder vor ernste, persönliche Entscheidungen. Persönlich vor allem deshalb, weil letzten Endes das Maß des Glaubens die ausschlaggebende Rolle spielt. Ich kann schlecht beurteilen, wozu mein Bruder oder meine Schwester in der Lage wäre. Umgekehrt ist es genauso. Nur Gott kann das. Er allein weiß, inwieweit unsere Entschuldigungen stichhaltig sind. Nicht alle haben in der Hitlerzeit für bedrängte Juden das gewagt, was Corrie ten Boom und andere getan haben.

Aber wir brauchen gar nicht unbedingt an solche dramatischen Aktionen zu denken. Vielleicht erwartet Gott oft nur einfache Dinge von uns, wie sie in den Versen Jesaja 58,6.7 aufgezählt werden: „Ist nicht dieses ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: daß man löse die Schlingen der Bosheit, daß man losmache die Knoten des Joches und gewalttätig Behandelte als Freie entlasse, und daß ihr jedes Joch zersprenget? Besteht es nicht darin, dein Brot dem Hungrigen zu brechen, und daß du verfolgte Elende ins Haus führst? Wenn du einen Nackten siehst, daß du ihn bedeckst und deinem Fleische dich nicht entziehst?" Besonders die zweite Hälfte dieser Stelle (V. 7) weist auf vielfältige Möglichkeiten hin, notleidende Christen in armen Ländern, aber auch Asylanten, sozial Schwache, Alkoholiker und ähnliche Randgruppen in unserer Gesellschaft vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Schließlich denke ich, daß Sprüche 24,11.12 heute in der Gnadenzeit noch eine tiefere Bedeutung hat, die über die rein zeitlichen Bedürfnisse unserer Mitmenschen hinaus-geht. Sie gehen dem ewigen Gericht entge-gen, wenn sie unversöhnt mit Gott diese Erde verlassen. Wie sollten wir, die wir den Schrecken des Herrn kennen, sie doch bei jeder Gelegenheit bitten: „Laßt euch versöhnen mit Gott" (2. Kor 5,11.20)!

Die Stelle in Jesaja 33,15: „Wer sein Ohr verstopft, um nicht von Bluttaten zu hören, und seine Augen verschließt, um Böses nicht zu sehen" steht zu allem bisher Gesagten meines Erachtens nicht in Widerspruch. Ich verstehe diese Stelle nicht so, daß wir über alles Böse hinwegsehen sollen, sondern daß wir uns weder passiv noch aktiv an verbrecherischen Plänen oder Handlungen beteiligen sollten. Das ist heute sehr aktuell, da man über TV bzw. Videos praktisch an jeder nur vorstellbaren Grausamkeit und Gemeinheit als Zuschauer teilnehmen kann und dadurch gegen Leid schließlich völlig ab-stumpft.

Wir wünschen Ihnen den Segen und den Beistand des Herrn Jesus und weiter viel Freude an Seinem Wort. In Ihm verbunden grüße ich Sie herzlich.