Lebensbeschreibung

Lebensbilder

Matthias Claudius wurde am 15. August 1740 zu Reinfeld bei Lübeck -als Pfarrerssohn geboren. Nach einigen beruflichen „Umwegen" - er studierte zuerst Theologie und anschließend Jura - läßt er sich endlich als Journalist in Hamburg nieder. Von dort zieht er nach Wands-beck, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbringt. Hier gibt er auch eine neue Zei-tung, den „Wandsbecker Boten", heraus. Beim Schreiben findet er seinen ihm eigentümlichen Stil und seine Botschaft. Unter den großen Namen der deutschen Literatur seiner Zeit war seine Stimme eine vereinzel-te, aber sie wurde von dem Volk gehört. Die Botschaft seiner Texte und vor allem seiner Lieder war schlicht und einfach. Sie hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren. Ich möchte im Folgenden besonders zwei Charakterzüge von Matthias Claudius her-ausstellen, die auch uns gut anstehen wür-den.

 

Sein schlichter Glaube und seine Unabhängigkeit vom Zeitgeist

„Am Ende wird ja, was wahr und nützlich ist, auch wohl wahr und nützlich bleiben, wenn es von den Gelehrten auch nicht gelobt wird. Wer nicht um der andern willen an Christüs geglaubt hat, wie kann der um der andern willen auch aufhören, an ihn zu glauben?"

Matthias Claudius lebte in der Umbruchszeit der Aufklärung (1700-1815), wo eine traditionelle Position nach der anderen in Frage gestellt und bekämpft wurde. Es ging den führenden Geistern der Aufklärung um die „Befreiung" des Menschen und sein "Mündigwerden". Man forderte die Herrschaft der menschlichen Vernunft. Die Vernunft gilt fortan als höchste Instanz. Alles, was sich nicht mit der Vernunft erklären läßt, ist Aberglaube. Wie obiges Zitat zeigt, ließ sich Matthias Claudius dadurch in seinem Glauben nicht erschüttern. Seine Auffassung hat er auch in seinem bekannten Lied „Der Mond ist aufgegangen" zum Ausdruck gebracht. Dieses Lied mag uns heute vielleicht als ein „rührseliges Volkslied" er-scheinen. Wir können es jedoch nur wirklich verstehen auf dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, auf dem es entstanden ist. In diesem Lied schreibt Claudius:

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht seh'n.

 

Wir stolzen Menschenkinder

sind eitel arme Sünder

und wissen gar nicht viel.

Wir spinnen Luftgespinste

und suchen viele Künste

und kommen weiter von dem Ziel.

Matthias Claudius benutzt das einfache, jedermann verständliche Bild des nur halb zu sehenden Mondes, um darauf hinzuweisen, daß die Wirklichkeit eben nicht nur aus einem meßbaren, sichtbaren, mit dem Verstand erklärbaren Bereich besteht. Es gibt auch noch andere Dimensionen, die jenseits menschlichen Forschens liegen. Ich wünsche mir und dir diese Gelassenheit gegenüber all jenen, die über die Sachen lachen, die ihre Augen nicht sehen.

Da wir die Bibel nicht als Menschenwort (und Menschenmeinung) aufgenommen ha-ben, sondern „wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort" (1. Thes 2,13), kann uns auch keine „neueste wissenschaftliche Errungen-schaft" und kein „sensationeller Qumran-fund" darin erschüttern.

Aber auch das Umgekehrte ist wahr: Es tauchen immer wieder Bücher auf dem christlichen Büchermarkt auf, die laut verkünden, daß die neuen Erkenntnisse von Professor X die Wahrheit der Bibel bestätigen. Sollen wir jetzt jubeln? Ist unser Glaube jetzt sicherer geworden? Ich denke nicht. Die Glaubwürdigkeit der Bibel dadurch zu stärken zu wol-len, daß die naturwissenschaftliche Forschung sie als wahr erweist, geht in die falsche Richtung. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn christliche Wissenschaftler aufzuzeigen versu-chen, daß die wissenschaftlichen Fakten mit dem Schöpfungsakt Gottes weit besser in Einklang zu bringen sind als mit dem Evo-lutionsmodell. Aber die Frage der Glaubwürdigkeit der Bibel wird davon nicht be-rührt. Man könnte das oben zitierte Wort von Matthias Claudius etwas abwandeln:

„Am Ende wird ja,

was wahr und nützlich ist,

auch nicht dadurch wahrer und nützlicher,

wenn es von den Gelehrten gelobt wird.

 

Seine persönliche Bescheidenheit

Ein weiterer Charakterzug von Matthias Claudius, der mich beeindruckt, ist sein bescheidener Lebenswandel. Auch das hat Claudius in einem Lied zum Ausdruck ge-bracht:

Ich danke Gott mit Saitenspiel,

daß ich kein König worden;

ich wär geschmeichelt worden viel

und wär vielleicht verdorben.

Auch bet ich ihn von Herzen an,

daß ich auf dieser Erde

nicht bin ein großer reicher Mann

und wohl auch keiner werde.

Die Gefahr, die mit Ruhm und Reichtum verbunden ist, sieht Matthias Claudius sehr klar. Dabei weiß er sich in Übereinstimmung mit Vorbildern, die uns die Bibel im Alten wie im Neuen Testament vor-stellt.

„Zweierlei erbitte ich von dir, verweigere es mir nicht, ehe ich sterbe: ... Armut und Reichtum gib mir nicht, speise mich mit dem mir beschiedenen Brote; damit ich nicht satt werde und dich verleugne und spreche: Wer ist der HERR? und damit ich nicht verarme und stehle, und mich vergreife an dem Namen meines Gottes" (Agur in Sprüche 30,7-9). „Ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnügen. Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß Überfluß zu haben" (Paulus in Philipper 4,11.12).

Zu dieser Einstellung Matthias Claudius paßt auch die folgende Anekdote aus seinem Leben. Als er von einer Reise in die Handelsstadt Hamburg nach Hause zurück-kehrte, fragte ihn seine Frau, was er denn dort alles gesehen habe. Matthias Claudius soll darauf geantwortet haben: „Liebe Rebekka, ich habe dort so viele Dinge gesehen, die wir alle nicht brauchen!"

Ob wir in unserer Konsumgesellschaft noch etwas von dieser Bescheidenheit und inneren Zufriedenheit kennen?