Bibel praktisch
Biblische Begriffe - Gemeinschaft
Die Erläuterungen, die wir unter dieser Überschrift den Lesern vorstellen, haben nicht das Ziel, eine "theologische" Deutung zu geben, sondern sollen einfach Begriffe, die heute vielleicht anders verstanden werden oder auch ungebräuchlich geworden sind, erklären. Dabei möchten wir jeweils auf ihren Gebrauch im Zusammenhang der Heiligen Schrift eingehen. Dies kann natürlich kaum in erschöpfender Weise geschehen, könnte aber vielleicht dazu dienen, Denkanstöße für unsere Praxis als Christen zu geben.
Gemeinschaft
Zu diesem Begriff gibt es sicher vieles zu sagen (oder zu schreiben), insbesondere im Zusammenhang mit den vielfältigen "praktischen" Auswirkungen, die die Gemeinschaft unter Christen hat und haben muß; dazu gibt es auch eine Reihe ausgezeichneter Artikel (so z.B.: "Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn" in: Ermunterung u. Ermahnung, 1979, S.39ff.). Das soll aber nicht der Gegenstand dieser Zeilen sein, ich möchte mich beschränken auf eine einfache und mehr grundsätzliche Erklärung des Begriffs.
Gemeinschaft im Alten Testament
Schon im Alten Testament tritt ein Wort auf, zwar nicht sehr häufig, das in einigen Übersetzungen mit "Gemeinschaft" übersetzt wird und in der Elberfelder Übersetzung mit "Teil haben (an)" wiedergegeben wird (z.B. Klgl 3,24); es kann auch denselben Sinn wie das Wort "Gemeinschaft" im Neuen Testament haben. Aber wenn auch im Alten Testament der Begriff "Gemeinschaft" wenig oder - je nach Übersetzung - gar nicht vorkommt, so gibt es dort dennoch die Sache als solche. Denken wir nur an Henoch, der "mit Gott wandelte" (1. Mose 5,22.24), an Abraham, dem Gott nicht verbergen wollte, was Er tun wollte (1. Mose 18,17ff.), oder an Noah (1. Mose 6,9) und Mose (2. Mose 33,11).
Definition
Dann aber finden wir den Begriff häufiger im Neuen Testament. Er ist die Übersetzung eines griechischen Wortes - koinonia -, das bedeutet, "gemeinsame Teilhabe mit einem anderen" zu haben, oder koinonos "einer, der mit jemand an etwas teilhat". In diesem Sinn schreibt der Apostel Johannes in seinem 1. Brief: „Und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus" (1,3). Wir haben also ein gemeinsames Teil mit Gott, unserem Vater, der uns den Sohn Seiner Liebe gesandt und uns zu Ihm "gezogen hat (Joh 6,44), und mit dem Herrn Jesus Christus, der uns Gott, Seinen Vater, geoffenbart hat.
So wird erst im Neuen Testament der Begriff zu einem "Schlüsselbegriff": Gemeinschaft ist nur da in tiefstem Sinn möglich, wo ich jemand gut kenne, in seinem Wesen und in seinen Gedanken. Gemeinschaft mit Gott ist daher nur möglich, wo Er sich selbst erkennen läßt, weil Er sich offenbart. Und dies hat Er getan in der Person Seines Sohnes Jesus Christus, in dem alle, die an Ihn glauben, ewiges Leben haben und damit göttliches Leben, eine neue Natur, besitzen. In Ihm hat Gott uns zu Seinen Kindern erhoben und in eine unverlierbare Beziehung zu sich selbst gebracht. Auf der Grundlage eines solchen Verhältnisses dürfen wir Ihn kennen, und haben - grundsätzlich gesehen - Gemeinschaft mit Ihm (1. Kor 1,9).
Gemeinschaft mit Gott
Worin zeigt sich nun dieses gemeinsame Teil mit Gott? Gott hat uns in Seinem Wort Seine Liebe und Gnade, Seine Gedanken, Seine Freude - an Seinem geliebten Sohn (!), seine Absichten, die alle ausnahmslos mit Seinem Sohn in Verbindung stehen, geoffenbart und mitgeteilt: wir dürfen sie kennenlernen und uns ebenfalls darin erfreuen, wir dürfen sie bewundern und anbeten. Der Herr Jesus hat uns Seine Liebe zu Seinem Vater, Seine Hingabe an Ihn, Seinen Gehorsam, Sein Opfer, Seine Freude in der immerwährenden Gemeinschaft mit Seinem Vater gezeigt: wir dürfen auch dies kennenlernen und anbetend "betrachten" und uns darin erfreuen. Wenn wir das tun - und der Heilige Geist will uns genau dazu führen - , dann haben wir ein gemeinsames Teil, ja Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohn Jesus Christus, „auf daß eure Freude völlig sei", schreibt Johannes (1. Joh 1,4). Der Heilige Geist bewirkt diese Gemeinschaft, und Er erhält sie lebendig; darum spricht der Apostel Paulus auch von der "Gemeinschaft des Heiligen Geistes" (2. Kor 13,13).
Gemeinschaft erleben - nicht ohne Heiligung
Nun wird es uns nicht schwer fallen zu verstehen, daß der Genuß an Gemeinschaft mit Gott, unserem Vater, und mit dem Herrn Jesus nur möglich ist, wenn wir „Ihm entsprechend leben", das heißt: heilig, gleichwie Er heilig ist. "Welche Gemeinschaft [hat] Licht mit Finsternis?" (2. Kor 6,14, siehe auch 1. Joh 1,6). Das bedeutet auch, daß wir bereit sind, über alles so zu denken, wie Gott es tut: daß wir uns die Maßstäbe Seines Wortes zu eigen machen. Unsere neue Natur tut genau das. Leider aber geschieht es uns allzu leicht, daß wir andere Gedanken (und anderes Verhalten, Reden, Tun und Lassen) in unserem Leben zulassen, daß wir "unabhängig" von unserem Herrn denken und handeln. Ein Bruder schreibt darüber: „Ein einziger Gedanke, der nur einen vorübergehenden Schatten auf unsere Seele wirft, genügt, sie (d.h. die praktisch erlebte Gemeinschaft) zu unterbrechen. Wir finden sie wieder durch Selbstgericht, durch das Bekennen dessen, was sie unterbrochen hat" (Erinunterung und Ermahnung 1981, S. 102).
Wenn wir nun den Maßstab des Wortes Gottes für unser Leben anlegen, dann werden wir immer wieder auf den Herrn Jesus selbst blicken müssen, weil Er vollkommen nach diesem Maßstab Seinen Weg gegangen ist. Wir werden dann Seine Aufforderung vernehmen: "Folge mir nach!" In Seiner Gegenwart lernen wir den "Wandel", der Gott erfreut: „Wer da sagt, daß er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat" (1. Joh 2,6). In Seiner Gegenwart lernen wir Seine Empfindungen: "Wandelt in Liebe, gleichwie auch der Christus uns geliebt ... hat" (Eph 5,2). Wir lernen Seine Gesinnung: "Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war" (Phil 2,5). So sind wir dann in der Lage, Ihn selbst "darzustellen", was ja nach den Worten des Herrn unsere Aufgabe und unser Ziel sein soll: "scheinet wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort des Lebens" (Phil 2,15.16) und die Tugenden dessen zu verkünden, „der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht" (1. Pet 2,9). Dann ist Friede und Glück in unseren Herzen, wir genießen die Freude Seiner Gemeinschaft.
Gemeinschaft untereinander
Ich komme noch einmal auf den Anfang des 1. Johannesbriefs zurück. Johannes schrieb dort: „Auf daß auch ihr mit uns Gemeinschaft habet; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus" (1. Joh 1,3), und etwas später: "Wenn wir aber in dem Lichte wandeln, wie er in dem Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander ..." (V.7). Hier finden wir zwei Seiten einer Wahrheit, die für uns als Christen von großer Bedeutung ist, nämlich zum einen:
- solche, die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn haben (da sie das gleiche Leben aus Gott und den Heiligen Geist besitzen), haben auch untereinander Gemeinschaft, und zum anderen:
- solche die diese Gemeinschaft auch in ihrem Leben genießen, können auch Gemeinschaft miteinander erleben und genießen. (Siehe auch die Worte des Herrn Jesus an Petrus: "Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit mir" (Joh 13,8).) Ihre Verwirklichung findet diese Gemeinschaft eben dann, wenn sie, jeder persönlich, "im Licht wandeln". Das ist nie etwas Äußerliches, ist nie eine Art von Geselligkeit unter Gleichgesinnten, sondern trägt das Wissen um die Gegenwart Gottes und die Freude Seiner Zustimmung in sich.
Diese Gemeinschaft mit unserem Herrn und untereinander findet einen besonderen Ausdruck im Teilnehmen an Brot und Kelch am Tisch des Herrn, der als solcher ein Ausdruck der Gemeinschaft ist: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen." Wir "haben teil" an Seinem vergossenen Blut - Er gab Sein Leben für uns - , und wir haben teil an Seinem Leib, den Er als Opfer ein für allemal dahingegeben hat, ja wir bilden einen Leib, wovon Er das Haupt ist. Am Tisch des Herrn werden natürlich auch die Rechte des Herrn des Tisches beachtet, darum spricht der Apostel anschließend von der Unmöglichkeit, diesen in Verbindung zu bringen mit Bösem (1. Kor 10,16.20). Aber diesen Grundsatz haben wir ja schon weiter oben in bezug auf die erlebte und genossene persönliche Gemeinschaft mit Gott gesehen.
Suche ich Gemeinschaft?
Vielleicht denkt jetzt der Leser dieser Zeilen, daß Gemeinschaft mit Gott in diesem Sinn fast unmöglich ist. Gott, unser Vater aber kennt uns und weiß, wie leicht so ein empfindliches Band durch heftige Bewegung und ungestümes Verhalten beschädigt werden und zerreißen kann. Und "Gott ist treu, durch welchen ihr berufen seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn" (1. Kor 1,9), Seine Treue ist unsere unumschränkte Hilfsquelle, Seine Gnade und Liebe lassen uns nicht los ... aber wollen wir uns auch zu Ihm hinziehen lassen und in Seiner Gemeinschaft glücklich sein? Das ist eine Frage unserer persönlichen Entschiedenheit und geistlichen Energie. Trägheit und Gleichgültigkeit lassen uns verkümmern, machen uns schwach und anfällig für die Welt und hindern jede echte christliche Freude.
Gott sucht Gemenschaft
Gottes Absicht der Liebe aber ist, daß ehemalige Feinde und Sünder mit Ihm versöhnt würden, Frieden mit Ihm und in Ihm besitzen sollten, ja in Seiner Gegenwart und Gemeinschaft sein sollten, zu Seiner eigenen und zu unserer Freude, schon jetzt und bald im Haus des Vaters (Joh 14,2)
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