Heilsgewißheit?

Werte Redaktion!
Sehr habe ich mich über die Klarheit und Eindeutigkeit des christlichen, sprich biblischen Maßstabs in der Zeitschrift "Folge mir nach" 1/94 gefreut. In unserer Zeit ist solch ein klares Zeugnis selten geworden.
Umso schmerzlicher empfand ich die Antwort von Bruder Werner Mücher auf die Frage nach der Lästerung des Geistes Gottes. Im Grunde wird die Frage nicht beantwortet, und im Gegenteil wird dem Leser versichert, dass er, hat er einmal die Gnade der Wiedergeburt und damit Innewohnung des Heiligen Geistes erhalten, er unmöglich verlorengehen könne.
Dass dies durchaus unbiblisch ist, wird jeder erkennen, der das Wort Gottes unvoreingenommen und aufmerksam liest und vor ihm zittert (Jes 66,2). Der Herr Jesus selbst spricht in etlichen Gleichnissen von solchen, die die anvertraute Gnade (Gaben oder Dienste) missbraucht und damit verschmäht haben und dafür gerichtet werden: Matth. 24,51; 25,30; 7,23. Ebenso lesen wir beim Apostel Paulus, wie er um die Gläubigen, die mit dem Heiligen Geist versiegelt sind, ringt: Phil 2,12; 1. Kor 15,2; 2. Kor 6,1.
Ebenso Hebr 6,4-8; Ps 37,38; 51,15; Jes 31,6. Aus vielen Stellen im Galaterbrief geht hervor, dass die Gnade auf dem Fundament des Glaubens ruht: 2,21; 5,6; 3,14. Gleiches geht aus Römer 11,22-24 hervor. So stehen wir in der Gnade allein durch den Glauben, von dem der Apostel sagt, dass in der letzten Zeit etliche davon abfallen werden: 1. Tim 4,1 (vgl. Kap. 1,19).
Als Herausgeber einer biblisch orientierten Zeitschrift ist es Ihre Aufgabe, die Leser auf diese Gefahren aufmerksam zu machen und sie nicht in einer falschen Sicherheit zu wiegen, die später eine schreckliche Konsequenz hätte, die Sie gewiss nicht beabsichtigen.
Von daher bitte ich Sie, die Stellen im Zusammenhang und im Licht des ganzen Wortes, aber frei von menschlicher Wertung, zu prüfen und daraus die Konsequenzen für die Stellung zu diesem wichtigen Punkt zu ziehen, um der Verantwortung für Ihre Leser gerecht zu werden.
Der Herr segne Sie in Ihrem Dienst, dass er bleibende Frucht trägt.
Mit freundlichen Grüßen
M. Linke, Falkenstein
PS.: Bitte verstehen Sie diesen Brief nicht als ein Herumkritisieren. Jeder Christ hat Verantwortung für das, was am ganzen Leib des Christus geschieht. Deshalb weise ich Sie als einer, der zum Leib gehört, auf das Wort Gottes hin.


Lieber Bruder Linke,
herzlichen Dank für Ihren Brief bezüglich des Themas, ob Gläubige verlorengehen können. Vielen Dank auch für die anerkennenden Worte zu der biblischen Orientierung unserer Zeitschrift. Das ist uns ein ganz besonderes Anliegen.
Ich möchte vorab sagen, dass mir nichts ferner liegt, als auch nur in dem kleinsten Punkt von dem klaren Wort Gottes abzuweichen. Ich würde mir lieber ein Stück von der Zunge abbeißen, als etwas Falsches über Gottes heiliges Wort zu sagen.
Andererseits bin ich weit davon entfernt zu behaupten, dass ich alles richtig erkenne. Ich lerne täglich noch hinzu und möchte mich biblischen Beweisen nicht verschließen. Ich weiß nicht, ob wir mit ein oder zwei Briefen zu einer Übereinstimmung in solch einer wichtigen Frage kommen. Ich bin gerne bereit, dass wir uns ausführlich zu diesem Punkt austauschen. Vielleicht darf ich zuerst einmal meine Sicht dazu näher erläutern.
Eine sehr wichtige Stelle in diesem Zusammenhang ist für mich das, was der Herr Jesus in Johannes 10,27-30 gesagt hat: "Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins".
Außerdem sagt der Herr Jesus im Johannesevangelium von dem Heiligen Geist, den Er dort den anderen Sachwalter nennt, dass er bei den Jüngern sein würde in Ewigkeit (Joh 14,16; siehe auch V. 17).
Das in der Wiedergeburt empfangene Leben macht uns zu Kindern Gottes. Kann dieses Leben wieder genommen werden? Natürlich kann ein Gläubiger einen sündigen Weg gehen, ja, sogar in der Sünde verharren. Wenn er jedoch Leben aus Gott hat, hört er dann auf, ein Kind Gottes zu sein? Eltern können ungehorsame Kinder des Hauses verweisen, doch hören sie auf, Kinder ihrer Eltern zu sein? Ich denke nicht.
Kann jemand, der zum Leib Christi gehört, wieder herausgenommen werden (sozusagen amputiert werden)? Die Stellung eines Gläubigen (= Wiedergeborenen) ist in Christus; so jemand ist eine neue Schöpfung (2. Kor 5,17). Er ist ein Geist mit Christus (1. Kor 6,17). Kann die geistige Einheit mit dem Herrn zerbrochen werden? Am Ende des 8. Kapitels des Römerbriefes stellt der Apostel die Frage: "Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi?" (V. 35). Und die Antwort gibt er selbst in den Versen 38 und 39: "... weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges".
Wie sollen wir denn sonst die Stelle in Hebräer 10,14 verstehen: "Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden"? Hier geht es zweifellos um eine ewige Errettung. Auch in Hebräer 9,12 ist von einer "ewigen Erlösung" die Rede.
Sicher gibt es weitere Belege für diese Sicht auf die Frage der Heilsgewissheit (oder: Heilssicherheit). Das soll für heute genügen.
Gerne möchte ich nun auf die Bibelstellen eingehen, die Sie angeführt haben.

Matthäus 24,51:
In diesem Abschnitt von Vers 45-51 unterscheidet der Herr Jesus zwischen treuen und klugen Knechten einerseits und bösen Knechten andererseits. Es geht in diesem Abschnitt um den Missbrauch von Autorität, die der Herr seinen Knechten in der Christenheit gegeben hat. Sie sollten dem Hausgesinde rechtzeitig Speise geben und für das Gesinde sorgen. Es wird beim Kommen Christi in der Christenheit treue Diener geben, und es wird auch böse Knechte geben, die der Herr richten wird. Die bösen Knechte sind die zahllosen "Führer" in der Christenheit, die keine echten Christen waren (vgl. Mt 25,30).

Matthäus 25,30:
In diesem Gleichnis (V. 14-30) geht es um treue und faule Knechte. Bei dem Gericht in Vers 30 geht es um einen Bekenner, der sich ab untauglicher Knecht erweist. Gibt es nicht - ungezählte "Christen", die der Form nach glauben, aber keine neue Geburt erlebt haben, und dennoch meinen, Gott dienen zu können? Auf sie trifft diese Stelle zu. Warum sollte sie auf Wiedergeborene anwendbar sein?

Matthäus 7,23:
Auch hier geht es um Lippenbekenner. Sie sagen: "Herr, Herr", haben aber niemals in ihrem Leben wirklich nach dem Willen Gottes gefragt. Es gibt nach dieser Stelle Menschen, die sogar Wunder im Namen Christi getan haben werden und dennoch verlorengehen. Übrigens war auch Judas Iskariot bei den Jüngern, die Wunder taten, und dennoch hat er niemals eine wahre Bekehrung erlebt. Der Herr Jesus hat von ihm gesagt, dass er "ein Teufel" war (Joh 6,70). Ich finde keinen Hinweis in diesem Abschnitt, dass es ‚sich um Wiedergeborene handelt.

Philipper 2,12:
Das in der Elb.Übers. übersetzte Wort Seligkeit" bedeutet ja auch "Errettung, Heil". Das Wort "bewirket" kann auch mit "wirket aus, vollführt" übersetzt werden. Das könnte bedeuten, dass die Philipper die Früchte der empfangenen Errettung in ihrem Leben sichtbar werden lassen sollten. Es kann auch sein, dass der Apostel hier an die Errettung denkt, die unser Teil sein wird, wenn der Herr Jesus kommt, um uns zu sich zu nehmen (Joh 14,3; 1. Thes 4,16-18). So sagt derselbe Apostel in Philipper 3,20: "Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland [oder: Erretter] erwarten, der unseren Leib ..." Er kommt zu unserer Errettung, zur Errettung unseres Leibes Wir sollen uns, was an uns liegt, tadellos bewahren im Blick auf diesen Augenblick.

1. Korinther 15,2:
Es geht in diesem Kapitel um den Glauben an die Auferstehung. Es gab Menschen in Korinth, die in diesem Punkt (unter bösem Einfluss) nicht mehr klar sahen. Damit verließen sie die Grundlage des Evangeliums. Wo aber steht, dass die Korinther definitiv den Glauben verlassen haben? Der Apostel zeigt aber die Konsequenz auf: wer das Wort nicht festhält, hat vergeblich geglaubt. Doch was war das schließlich für ein Glaube? Siehe dazu Lukas 8,13: "Die aber auf dem Felsen sind die, welche, wenn sie hören, das Wort mit Freuden aufnehmen; und diese haben keine Wurzel, welche für eine Zeit glauben und in der Zeit der Versuchung abfallen."

2. Korinther 6,1:
Hier geht es um Mitarbeiter im Reich Gottes. Für den Dienst im Reich Gottes, im Dienst für unseren Herrn, hat jeder Gläubige eine Gabe empfangen (vgl. 1. Kor 12; Röm 12). In Epheser 4 werden die den einzelnen Personen gegebenen Gaben "GNADE" genannt. Wer also dem Herrn angehört und seine Gaben nicht oder für sich selbst gebraucht, gebraucht sie nicht zu dem Zweck, zu dem der Herr sie ihm gegeben hat. Haben wir sie dann nicht umsonst empfangen? Ich kann in dieser Stelle keinen Hinweis darauf erkennen, dass diese Personen verlorengehen (vgl. auch 1. Kor 3,15)

Hebräer 6,4-8:
Diese Stelle ist tatsächlich nicht einfach zu erklären. Bei genauem Hinsehen ist sie allerdings gerade ein Beweis für den deutlichen Unterschied zwischen "Nur-Bekennern" und "Wiedergeborenen". Es heißt hier von diesen Menschen, dass sie fünf christliche Vorrechte kennengelernt hatten:
=> sie waren erleuchtet - sie hatten das helle Licht des Evangeliums kennengelernt
=> sie hatten die himmlische Gabe geschmeckt (o. gekostet); sie hatten sie nicht "gegessen", also nicht wirklich Anteil daran bekommen
=> sie waren Heiligen Geistes teilhaftig geworden - bedeutet das, dass sie den Heiligen Geist in sich wohnend hatten? Ich denke nicht. "Innewohnen" und "teilhaftig sein" ist sicherlich ein Unterschied. Ich glaube, dass hiermit gesagt wird, dass sie der Wirkungen des Geistes teilhaftig wurden
=> sie hatten das gute Wort Gottes geschmeckt und die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters (= der öffentlichen Regierung Christi); vielleicht waren unter diesen Menschen solche, die geheilt worden waren.
Doch nach alledem sind sie abgefallen, zurückgekehrt zum Judentum. Bewiesen sie
damit nicht, dass sie niemals wirklich wiedergeboren waren?

Dann macht der Schreiber in Vers 9 einen klaren Gegensatz deutlich: "Wir aber sind in Bezug auf euch, Geliebte, von besseren und mit der Seligkeit verbundenen Dingen überzeugt, wenn wir auch also reden." Nun spricht er die wahren Gläubigen an, auf die das, was er soeben gesagt hatte, nicht zutraf.
Es gab also unter den Adressaten des Hebräerbriefes wahre Gläubige und falsche Bekenner, und beide Gruppen spricht der Schreiber dieses Briefes an.

Psalm 37,38:
Dieser Psalm stellt auf vielfache Weise den Gerechten und den Gottlosen einander gegenüber. Der Übertreter ist jemand, der das Gesetz Gottes nicht beachtet. Der Gesetzlose lehnt es sogar ab. Es gibt ja zahllose Stellen, die das Gericht des Gottlosen ankündigen.

Psalm 51,15:
Die Anführung dieses Verses in Verbindung mit unserem Thema ist mir nicht klar.

Jesaja 31,6:
Hier geht es um das Volk Israel in seiner Gesamtheit. Es bestand sicher größtenteils aus nicht-wiedergeborenen Menschen. Die meisten Könige, sowohl von Juda als auch von Israel, waren gottlose Könige. Sie haben das Volk weitgehend zum Götzendienst, also zum Abfall von Gott, verleitet.

Galaterbrief:
Es ist mir nicht klar, was Sie mit dem Ausdruck "dass die Gnade auf dem Fundament des Glaubens ruht" meinen. Ruht nicht der Glaube auf dem Fundament der Gnade? Gottes Gnade hat einen Weg gefunden, wie dem Glauben (dem glaubenden Menschen) die Gerechtigkeit zugerechnet wird. Gerade die Belehrungen des Galaterbriefes machen deutlich, wie der Apostel Paulus unterscheidet zwischen den falschen Lehrern (Irrlehrern) und den wahren Gläubigen, die er mehrere Male seine Brüder (1,11; 3,15; 4,12.28.31; 5,11.13; 6,1.18) und Kinder nennt (4,19). Die falschen Lehrer werden in Kapitel 1,7; 5,10.12; 6,12 erwähnt. Übrigens finden wir diese judaisierenden Lehrer (die das Judentum und das Gesetz unter den Gläubigen einführen wollten) in mehreren Briefen des Apostels (2. Kor 11,13-15.18-22; Kol 2,16-23; Phil 3,2).

Römer 11,22-24:
Ich glaube, dass wir bei der Auslegung von Römer 11 berücksichtigen müssen, dass es nicht um individuelle Menschen geht, sondern um das Volk Israel und die Christenheit in ihrer Gesamtheit. Andernfalls kommen wir zu falschen Schlüssen. Das ist aber ein umfangreiches Thema für sich.

1. Timotheus 4,1 (1,19):
In Kapitel 1,19 ist ein feiner, aber sehr wichtiger Unterschied bezüglich des Begriffes "Glauben" festzustellen. Im ersteren Fall ist kein Artikel vorhanden, im letzteren wohl. Also: "Indem du GLAUBEN bewahrst ... und so, was DEN GLAUBEN ..." Glaube — ohne Artikel - ist der innere Zustand der Seele des Glaubenden, das Glaubensleben (vgl. 1. Tim 1,2.4.14.19; 2,7.15; 4,12; 6,11). Der Glaube - mit Artikel - ist die geglaubte Wahrheit, das Glaubensgut, im Sinne von "der christliche Glaube" (vgl. 1. Tim 3,9; 4,1.6; 5,8.12; 6,10.12.21; 2. Tim 2,18; 3,8.10; 4,7).
Wenn ein Gläubiger ein aktives Glaubensleben mit Gott verlässt und damit auch ein gutes Gewissen von sich stößt, ist er offen für Irrlehren. Das war bei Hymenäus und Alexander der Fall. Doch die Tatsache, dass der Apostel Paulus beide Personen dem Satan überliefert hatte, beweist, dass wir es mit Gläubigen zu tun haben, die durch diese Zucht wieder zurechtgebracht werden sollten, zumindest an der Ausübung ihrer Lästerung gehindert werden sollten.
In Kapitel 4,1 ist es eindeutig ein Verlassen des christlichen Glaubens durch einige Menschen, also Abfall vom Glauben, Abfall von Gott. Diese Menschen würden sich dämonischen Lehren zuwenden. Die Frage ist natürlich, ob sie jemals ein aktives Glaubensleben mit Gott kannten. Sehen wir heute nicht, wie viele Menschen, die ihrem Bekenntnis nach Christen sind, sich abwenden? Wer von ihnen hat eine klare Bekehrung erlebt?

Dennoch möchte ich deutlich den Grundsatz in Gottes Wort unterstreichen, dass sich alle Ermahnungen an alle christlichen Bekenner richten. Die erste Frage darf nie sein, ob jemand wiedergeboren ist oder nicht, sondern ob sein Leben mit dem Wort Gottes übereinstimmt. Wir müssen allezeit die ganze Schärfe des Wortes Gottes auf uns anwenden. In diesem Sinne dürfen wir uns selbst und auch andere niemals in einer falschen Sicherheit wiegen. Das würde tatsächlich fatale Folgen haben.
Wir dürfen aber auch nicht zur anderen Seite überziehen. Die Bibel lehrt m.E. eindeutig Heilsgewissheit und Heilssicherheit. Leugnen wir das, greifen wir letztlich die Vollgültigkeit des Werkes unseres Herrn Jesus Christus an, denn Er hat mit einem Opfer auf immerdar (o. ununterbrochen) vollkommen gemacht, die geheiligt werden.

Lieber Bruder Linke, ich teile voll und ganz Ihre Bedenken bezüglich eines schlaffen Christentums und falscher Belehrungen. Wir fühlen unsere ganze Verantwortung für eine gesunde Belehrung in "Folge mir nach".
Ich möchte Ihnen herzlich danken, dass Sie uns geschrieben haben. Darf ich Sie bitten, nun auch unsere Überlegungen einmal "unvoreingenommen" zu überdenken? Gerne bleiben wir weiter in Kontakt zu diesem so wichtigen Thema.
Ich verbleibe mit herzlichen brüderlichen Grüßen und dem Wunsch um Segen für Sie
Ihr Werner Mücher