Biblische Begriffe
Gottseligkeit
Die Erläuterungen, die wir unter dieser Überschrift den Lesern vorstellen, haben nicht das Ziel, eine "theologische" Deutung zu geben, sondern sollen einfach Begriffe, die heute vielleicht anders verstanden werden oder auch ungebräuchlich geworden sind, erklären. Dabei möchten wir jeweils auf ihren Gebrauch im Zusammenhang der Heiligen Schrift eingehen. Dies kann natürlich kaum in erschöpfender Weise geschehen, könnte aber vielleicht dazu dienen, Denkanstöße für unsere Praxis als Christen zu geben.
Gottseligkeit
""..die leibliche Übung ist zu wenigem nütze, die Gottseligkeit aber ist zu allen Dingen nütze, indem sie die Verheißung des Lebens hat, des jetzigen und des zukünftigen" (1.Tim 4,8).
Der Gottseligkeit wird hier die "leibliche Übung" gegenübergestellt, und zwar in der Frage ihres Nutzens. Junge Leute mit gesundem Körper, aber nicht nur sie, haben Freude an sogenannter "körperlicher Ertüchtigung", treiben Sport, suchen ihren Körper gesund zu erhalten, leistungsfähig zu werden oder zu bleiben. Dagegen kann man sicher nicht viel einwenden, wenn vielleicht auch mancher darin zu viel des Guten tut; immerhin: Gottes Wort sagt, dass sie nütze ist, allerdings "zu wenigem". Davon sticht die Gottseligkeit nicht nur um Längen ab, sondern ihr wird ein "absoluter" Nutzen zuerkannt. Sie ist also entschieden wichtiger und erstrebenswerter. Was ist diese Gottseligkeit?
Da sie "nütze" oder nützlich genannt wird auch für das "jetzige Leben", kann sie nicht etwas Schwärmerisches oder eine "mystische Versenkung" sein, wie man es wohl häufig gemeint hat, sondern sie muss eine ganz praktische und wesentliche Sache sein für unser Leben in dieser Welt. Nebenbei sei gesagt, dass die Gottseligkeit auch nicht identisch ist mit der "Glückseligkeit".
Da sie "die Verheißung des Lebens hat, des jetzigen und des zukünftigen", kann sie jedoch nur auf den gläubigen Christen bezogen sein; denn erstens hat nur dieser eine solche "Verheißung" - der Ungläubige nicht! -, und zum zweiten ist sie gerichtet auf ein zukünftiges Leben, das "ewige Leben" (siehe Kap. 1,16b; Röm 2,7 und 6,22), das der Gläubige zwar jetzt schon besitzt, das der Apostel Paulus aber meistens als erst in der Zukunft praktisch vollkommen sieht.
Gehen wir von der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes eusebeia aus, das soviel bedeutet wie "Ehrfurcht vor Gott; Ausrichtung zu Gott hin, Gott zu ehren (in Ehrfurcht und Vertrauen); Verehrung und Hingabe an Gott" (siehe auch A. Remmers: Auslegung des 1. Timotheusbriefs; Franz Kaupp: Biblische Fragen; u.a.) , so wird klar, dass es sich um eine hier und heute einzunehmende Haltung und Praxis handelt.
Dieses Wort, bzw. seine Formen (Verb, Akjektiv, Adverb), wird in der Elberfelder Übersetzung (nicht rev. und revidierte Fassung) einige Male mit fromm, Frömmigkeit, als Verb mit verehren übersetzt, meist jedoch mit dem Begriff Gottseligkeit. (Die Einheitsübersetzung hat hier in der Regel Frömmigkeit, dieser Begriff zeigt aber nicht so deutlich den Bezug auf Gott.) Auffällig ist, dass das deutsche Wort überhaupt nur achtmal im 1.Timotheusbrief, je zweimal im 2. Timotheusbrief und im Titusbrief und fünfmal im 2. Petrusbrief benutzt wird. Dieser Sachverhalt erscheint mir deshalb interessant, weil alle diese Briefe in der letzten Zeit des Wirkens der beiden Apostel Paulus und Petrus geschrieben wurden und deutlich von Verfall innerhalb der noch jungen Christenheit reden, in der auch schon viele — wie heute - sich bloß äußerlich zum Christentum hielten.
In einer solchen Situation ist der Aufruf zu einem Leben in Gottseligkeit sehr angebracht, wird doch darin der Unterschied zwischen echt und unecht klar erkennbar: "Wenn jemand anders lehrt und nicht beitritt den gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind, und der Lehre, die nach der Gottseligkeit ist, so ist er aufgeblasen und weiß nichts..."(1.Tim 6,3). Es gibt nämlich "Menschen, die an der Gesinnung verderbt und von der Wahrheit entblößt sind, welche meinen, die Gottseligkeit sei ein Mittel zum Gewinn" (1.Tim 6,5).
Wer Gottseligkeit als ein Mittel zum Gewinn ansieht, der sieht äußerliche Vorteile darin, als Christ zu leben, der hat daher aber auch nicht verstanden, was Gottseligkeit eigentlich bedeutet. Er ist einer von denen, die "eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen", und von solchen "wende dich weg", sagt der Apostel Paulus (2.Tim 3,5), um den Unterschied deutlich herauszustellen zwischen bloßer Form und echtem Inhalt, d.h. echter innerer Überzeugung.
Nun wird aber der gläubige und entschiedene Christ auch positiv angesprochen:
=> Er wird aufgefordert, sich zur Gottseligkeit zu üben. Er muss offenbar Energie aufwenden, er muss Selbstzucht, Selbstverleugnung üben (1. Tim 4,7). Er darf in seinem Leben als Gläubiger nicht nachlässig werden oder gleichgültig, sondern er soll zeigen "in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit" (2. Pet 1,6).
=> Er soll "ein ruhiges und stilles Leben führen (...) in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst" (1. Tim 2,2). Sein Leben soll gekennzeichnet sein von "Zurückgezogenheit von Weltlichkeit und Politik", und er darf und soll Gott ehren und Gott dienen (A.R., a.a.O., 5.41).
=> Er darf der Ausrichtung auf Gott die erste Stelle geben und soll nicht nach hohen Dingen streben: "Die Gottseligkeit aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn" (1. Tim 6,6).
=> Dagegen werden ihm als erstrebenswert vorgestellt: "Strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes" (1. Tim 6,11), Kennzeichen des neuen Lebens in ihm.
=> Er wird mit dem Wunsch, "gottselig" zu leben, auch bereit sein, für seinen Herrn zu leiden und verfolgt zu werden, wie es der Herr Seinen Jüngern ja schon vorausgesagt hatte (Joh 15,18-21) und wie es in 2. Timotheus 3,12 noch einmal gesagt wird: "Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden verfolgt werden."
=> Er darf "in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe" (2. Pet 1,7) beweisen. Diese echte Liebe zum Mitbruder und zur Mitschwester istja auch ein Beweis für die Tatsache, "aus dem Tode in das Leben übergegangen" zu sein (1. Joh 3,14).
=> Er soll im Hinblick darauf sein Leben gestalten, dass — wie er es aus Gottes Wort weiß — die jetzige Welt vergeht und aufgelöst wird, also nicht wert ist, in ihr seine Energie und Kraft zu verschwenden (was nicht bedeutet, dass der Christ seine Arbeit hier nicht gut und ordentlich tun soll): "Da nun dies alles aufgelöst wird, welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit" (2. Pet 3,11).
Zu allen diesen Aussagen gibt es aber noch eine zentrale Aussage, sozusagen den "Gipfelpunkt" in der Frage, was der Begriff Gottseligkeit bedeutet:
"Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit" (1.Tim. 3,16).
Die Gottseligkeit ein Geheimnis? Ja, aber ein "geoffenbartes" Geheimnis für den, der den Herrn Jesus kennt, von neuem geboren ist und den Heiligen Geist besitzt! Für die Welt dagegen bleibt sie ein Geheimnis, weil sie den Herrn Jesus nicht kennt. Denn Er, unser Herr, hat gezeigt, was Hingabe an Gott überhaupt ist. Er ist als der ewige Sohn, als Gott der Sohn, Mensch geworden auf dieser Erde. Er war in allem Gott Seinem Vater zur vollkommenen Freude, Er hat Wahrheit und Gnade, Liebe und Gerechtigkeit sichtbar gemacht. Er ist die Offenbarung Gottes an den Menschen. Er ist die einzige "Quelle" eines Lebens in Gottseligkeit für uns heute, und zwar in zweifacher Hinsicht: Er ist unser Leben, grundsätzlich gesehen, und Er ist die Kraftquelle für dieses Leben in Gottseligkeit, durch das wir Gott gefallen.
Nur ein beständiges Leben mit IHM macht uns fähig, die praktischen und konkret sichtbaren Kennzeichen der Gottseligkeit auszuleben.
Er ist auch das große Vorbild, das es nachzuahmen gilt.
Rainer Brockhaus
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