Was ist los mit Qumran?

In den Jahren 1947 —- 1956 wurden in zahlreichen Höhlen in Qumran am Toten
Meer alte Handschriften entdeckt. Sie stammen aus der Zeit zwischen dem 3. Jahrhundert v. und dem 1. Jahrhundert n. Christus, Diese Funde gehören zu den sensationellsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts.

Qumran und das Alte Testament

Bei einem großen Teil der Qumran-Schriften handelt es sich um hebräische Texte aus dem Alten Testament. Diese Manuskripte sind ungefähr 1000 Jahre älter als die meisten, die man bis dahin kannte. Der Vergleich zwischen den alten Handschriften aus Qumran und den schon lange bekannten aus späterer Zeit hat zu einem klaren Ergebnis geführt:
Die betreffenden Bücher des Alten Testaments sind im Lauf der Zeit extrem genau überliefert worden. Die irrige Meinung, der Bibeltext sei dauernd wieder etwas verändert und schließlich verfälscht worden, platzte wie eine Seifenblase.

Außerbiblische Texte

Neben den biblischen Handschriften fand man in Qumran auch andere: So z.B. Kommentare zu Büchern des Alten Testaments, Liedertexte, visionäre Erzählungen usw. All diese Schriften stammen von einer extrem exklusiven jüdischen Gemeinschaft, die ganz in der Nähe der Qumran-Höhlen in einer klosterähnlichen Siedlung lebte. Wahrscheinlich gehörte die Qumran-Gemeinschaft zur Abspaltung der Essener. Zu dieser Zeit war das jüdische Volk ja in ganz verschiedene Gruppierungen aufgespalten. Neben den Essenern gab es z.B. die Pharisäer, die Sadduzäer und die Zeloten.
Auch die außerbiblischen Handschriften von Qumran sind sehr wertvoll: Sie geben uns Auskunft darüber, wie ein Teil des jüdischen Volkes vor und während des Aufkommens des Christentums über die Bibel und verschiedene Detailfragen der Auslegung dachte.

1991: Das Qumran-Fieber bricht aus

In der Folge der Frankfurter Buchmesse vom Herbst 1991 wurde die Publikation "Verschlußsache Jesus. Die Qumranrollen und die Wahrheit über das frühe Christentum" von Michael Baigentund Richard Leighim deutschen Sprachraum zu einem Bestseller. In diesem Buch wurde die schleppende Veröffentlichungsarbeit der Qumran-Handschriften als Resultat einer Verschwörung des Vatikans verkauft. Für große Massen, die von der katholischen Kirche enttäuscht sind, stellen solche "Enthüllungen" natürlich ein gefundenes Fressen dar. Zu dieser schwachen Skandalgeschichte kommt aber noch die freche Behauptung hinzu, die geschichtlichen Aussagen des Neuen Testaments seien völlig unhaltbar. Seit dieser Veröffentlichung wird diese Thematik in Zeitungen und im Fernsehen, vielfach sehr unsachlich, breitgetreten. Ferner kommen immer mehr Bücher auf den Markt, die auf der gleichen Welle reiten, so z.B. die bereits auf ‚der Hitliste stehende Publikation "Jesus und die Urchristen. Die Qumran-Rollen entschlüsselt" von Robert Eisenman und Michael Wise.
Eisenman war übrigens der Hauptinformant, von dem die amerikanischen Journalisten Baigent und Leigh ihre Hauptthesen für ihren Bestseller hatten. In Sachen Qumran kann man zur Zeit tatsächlich von einer krankhaften und sehr ansteckenden Epidemie in der Medienwelt sprechen.

Wie denken Fachleute darüber?

Rainer Riesner von der Universität Tübingen ist Fachmann auf dem Gebiet der Qumran-Forschung. Er schreibt: "dass die Thesen von Eisenman Hirngespinste sind, darüber sind sich die Fachwissenschaftler - ob Juden, Christen oder Atheisten - einig" (Riesner ist Mitautor des kürzlich erschienenem Buches "Jesus, Qumran und der Vatikan. Klarstellungen", in dem zwei Qumran-Spezialisten in verständlicher Sprache, sachlich und fundiert, die unhaltbaren Thesen von Baigent, Leigh, Eisenman und anderen widerlegen).
Hershel Shanks, Herausgeber der Zeitschrift "Biblical Archeology Review“ stellte im Blick auf Baigents und Leighs Buch fest: "Ihre zentrale These ist so schwer fehlerhaft, dass sie grotesk ist."
Der israelische Qumran-Spezialist Shemarjahu Talmon, Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem, schrieb, auf die "Verschlusssache Jesus" bezugnehmend, in einem Brief vom 16.7.92: "Leider sieht es aber so aus, als ob seriöse Wissenschaftler bei dem breiten Publikum keinen Widerhall finden, während abenteuerliche Journalisten und Quasi-Forscher bei ihm ein offenes Ohr finden. Aber man muss doch weiterhin versuchen, die "wahre" Lehre zu verbreiten." Talmons Bemerkung lässt mich unweigerlich an einen Ausspruch Napoleons denken: "Es ist unglaublich, was die Leute glauben - es darf nur nicht in der Bibel stehen."

Was nicht sein soll, darf nicht sein

Die Thesen unserer Bestseller-Autoren werden überhaupt erst möglich, wenn sie die Qumran-Handschriften zur Hauptsache ins 1. Jahrhundert n. Christus verlegen. Doch bereits hier fällt ihr Kartenhaus zusammen. Nachweislich stammt ein großer Teil der Manuskripte vom Toten Meer aus vorchristlicher Zeit.
Aus den geschichtlichen Quellen, die wir über die Zeit Jesu besitzen, geht klar hervor, dass Pharisäer, Sadduzäer, Essener, Zeloten und Judenchristen ganz klar und deutlich unterscheidbare Gruppen von Menschen waren. Doch Baigent, Leigh und Eisenman müssen, um ihre Meinungen den Lesern schmackhaft zu machen, all diese Gruppen zu einem untrennbaren, schleimigen Brei zusammenmixen. Doch dies ist eigentlich schon für jeden Geschichtsinteressierten eine höchst unappetitliche Angelegenheit, sprich, ein lächerlicher Unsinn.
Baigent und Leigh hatten in ihrem Buch 1991 behauptet, dass in den Qumran-Handschriften, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht worden waren, Dinge stünden, die das Christentum erschüttern würden. Um diese Aussage zu bestätigen, ist nun 1992/93 Eisenmans Buch erschienen, das eine Auswahl von fünfzig solchen Texten im originalen Wortlaut samt Übersetzung bieten soll. Nun kommt aber das schier Unglaubliche: Man liest diese Texte, und es steht nichts, aber auch wirklich nichts darin, was im Blick auf das Christentum irgendwie revolutionär, spektakulär oder sonstwie verblüffend sein könnte - obwohl dies in der Reklameankündigung dieses Buches großspurig und lauthals bekanntgegeben worden war!

Schlussbemerkungen

Es ist schon tragisch, zu sehen, wie viele Menschen in unserer Gesellschaft sich geradezu auf Bücher stürzen, die versuchen, die Bibel als unglaubwürdig hinzustellen. Aber dies bestätigt nur, was Paulus für die Endzeit angekündigt hatte: "Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln [Mythen = erfundene, unrealistische Geschichten] sich hinwenden" (2. Tim 4,3-4). Im folgenden Vers heißt es aber: "Du aber..., tue das Werk eines Evangelisten!“
Wir alle haben den Auftrag, im Blick auf jeden, der sich noch retten lassen will (und trotz alledem sind das noch viele), die frohe Botschaft weiterzugeben, indem wir uns entschieden zur vollen göttlichen Autorität der Bibel stellen. Es ist auch wichtig, dass wir uns Mühe geben, im Sinne einer Hilfestellung, falsche Ansichten über die Bibel zu widerlegen, um Menschen in unserer Gesellschaft wieder neu auf den wunderbaren Geschmack des Wortes Gottes zu bringen, indem wir ihnen auch durch unser Leben zeigen, wie innerlich reich eine persönliche Beziehung zu dem Sohn Gottes macht.